Thilo Sarrazin in Kreuzberg:"Sie sind hier nicht erwünscht!"

Der umstrittene Autor und SPD-Politiker Thilo Sarrazin wird in Berlin-Kreuzberg gemeinsam mit einem Fernsehteam aus einem türkischen Restaurant geworfen - zu seiner eigenen Sicherheit, sagt der Gastronom Mehmet Özcan.

Marc Felix Serrao

Vergangene Woche spazierte Thilo Sarrazin mit einem ZDF-Team durch Kreuzberg. Der Autor von "Deutschland schafft sich ab" zu Gast in Deutschlands angeblich buntestem Kiez: Das müsste doch spannend werden, haben sich die Fernsehleute vermutlich gedacht. Wurde es auch, aber anders als erhofft. Beim Besuch des türkischen Restaurants "Hasir" wären fast die Fäuste geflogen. Ein Gespräch mit Oberkellner Mehmet Özcan, 41, der Sarrazin bat, zu gehen.

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Thilo Sarrazin wurde in Berlin-Kreuzberg aus einem türkischen Restaurant geschmissen.

(Foto: dpa)

SZ: Herr Özcan, warum haben Sie Thilo Sarrazin aus dem Lokal geworfen?

Mehmet Özcan: Er hatte keine Sicherheitsleute dabei, nur Journalisten. Irgendwann wurde es zu viel. Alle fünf Minuten blieben drei, vier neue Leute vor den Laden stehen. Da habe ich gesagt: "Sie sind unerwünscht, bitte gehen Sie."

SZ: Hatten Sie Angst, dass einer zugeschlagen hätte, wenn er geblieben wäre?

Özcan: Absolut. Die haben vor dem Lokal schon herumgeschrien: "Sie sind hier nicht erwünscht! Was wollen Sie hier?" Das waren am Ende ungefähr 15 Leute.

SZ: Hat Sarrazin Sie oder die Gäste irgendwie provoziert?

Özcan: Er war ganz locker. "Lesen Sie bitte mein Buch", hat er gesagt. Aber die Leute wurden immer lauter. Das war wie damals, als Günther Beckstein bei uns war. Da kamen 300 Leute, Linksradikale. Wenn die Polizei nicht erschienen wäre, hätten die den ganzen Laden zerstört.

SZ: Hätten Sie und Ihre Mitarbeiter in diesem Fall nicht für Sarrazins Sicherheit garantieren können?

Özcan: Nein, wie denn? Ich kann doch nicht verhindern, dass irgendein Spinner einen Stein schmeißt.

SZ: Haben Sie schon Reaktionen auf Ihren Rauswurf erhalten?

Özcan: Vor kurzem rief einer an und sagte, er sei ein Freund von Sarrazin. "Wie kannst' ihm das antun?", hat er gefragt. "Du bist doch bestimmt ein Mitarbeiter von ihm", habe ich geantwortet. Ich glaube, Sarrazin hat keine Freunde.

SZ: Haben Sie sein Buch gelesen?

Özcan: Nein. Ich unterstütze ihn nicht.

SZ: Ist Kreuzberg tolerant?

Özcan: Ja, hier ist jeder willkommen.

SZ: Außer Sarrazin.

Özcan: Doch, der kann auch kommen.

SZ: Also wenn Sarrazin noch mal zu Besuch käme, allein und ohne Kameras, dann würden Sie ihn bedienen?

Özcan: Natürlich. Wenn jemand vernünftige Umgangsformen hat, kein Thema. Wir sind schon integriert, mein Herr.

SZ: Fühlen Sie sich als Deutscher?

Özcan: Ja. Ich bin seit 15 Jahren hier. Nicht die Deutschen müssen die Ausländer integrieren, das müssen sie selbst tun. Wer das nicht akzeptiert, muss in seine Heimat zurückgehen. So ist es doch.

SZ: Sarrazin würde Ihnen zustimmen.

Özcan: Ja? Ich weiß es nicht. Er hat immer nur gesagt: "Lesen Sie mein Buch!"

SZ: Aber das machen Sie nicht.

Özcan: Auf keinen Fall.

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