Eingeschlossene Fußball-Mannschaft:"Höhlentaucher sind es gewöhnt, blind zu tauchen"

Es ist stockdunkel. Die Sicht unter Wasser ist miserabel. Trotzdem sollen die Jugendlichen nun kilometerweit tauchen, um aus der thailändischen Höhle ins Freie zu gelangen. Ein Experte glaubt, dass sie das schaffen.

Interview von Melanie Raidl

Mentale Stärke und viel Erfahrung, diese Eigenschaften braucht jeder Höhlentaucher. Rainer Straub hat fast 30 Jahre Erfahrung und arbeitet als Referent im Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Er glaubt, dass die Jugendlichen, die in Thailand in der mit Wasser vollgelaufenen Höhle gefangen sind, gerettet werden können. Im Interview am Morgen erläutert er, warum es auch für Kinder möglich ist, mit der richtigen Ausrüstung extreme Tauchgänge zu absolvieren.

SZ: Was wissen Sie über das Schicksal der Kinder? Können Sie sich vorstellen, wie es ihnen gerade geht?

Rainer Straub: Die englischen Höhlentaucher, die die Kinder in der Höhle gefunden haben, sind gute Freunde von mir, und wir stehen in Kontakt. Da ich aber schon mehrmals eingeschlossene Leute gerettet habe, kann ich mit ihnen mitfühlen. Die Jugendlichen haben völlig die Orientierung verloren. Nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Sie wussten zum Beispiel nicht, wie lange sie schon in der Höhle gefangen waren, als die Retter zu ihnen vordrangen.

Wie denken Sie, wird die Rettungsaktion ablaufen? Die Kinder lernen ja jetzt schon, die Masken aufzusetzen.

Den Weg hinaus zu finden, ist die schwierigste Aufgabe. Die Taucher verlegen ein Seil durch die gefluteten Passagen. Zuerst ist wichtig, dass die Kinder die Grundlagen des Tauchens verstehen. Das richtige Aufsetzen der Maske, die richtige Atmung unter Wasser mit dem Atemregler. Dann werden sie einzeln und entlang des Führungsseiles von den Höhlentauchern hinausbegleitet. Ich vermute, dass sie den Vorgang mit ein bis zwei stärkeren Jugendlichen ausprobieren, bevor alle hinaustauchen können.

Höhlentauchen gilt als Extremsport. Warum ist er so gefährlich?

Der große Unterschied zum normalen Sporttauchen ist, dass man nicht auftauchen kann. In einem See kann man bei technischen Problemen, etwa wenn die Pressluftversorgung nicht mehr funktioniert, oder man den Atemregler verliert, leicht an die Oberfläche gelangen. Die Höhle jedoch hat eine Decke. Dazu kommt, dass man als Taucher in der Höhle oft Bodenkontakt hat und somit Schlamm und Sediment vom Boden aufwirbelt. Zusammen mit der Dunkelheit bewirkt das, dass man gar nichts mehr sieht.

Kann man sich nicht mit Unterwasserlampen helfen?

Lampen helfen in dem Fall nicht, denn durch den Schlamm ist die Sicht auch mit Licht getrübt. Höhlentaucher sind es gewöhnt, blind zu tauchen. Für jemanden, der das noch nie gemacht hat, ist das allerdings unglaublich schwierig.

Welches besondere Equipment braucht man für Höhlentauchgänge?

Man braucht zwei Atemsysteme, um im Ernstfall, wenn eines ausfällt, auf das andere zu wechseln. Dabei ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Der Wechsel erfordert viel Erfahrung und man muss sich mental bewusst sein, dass ein schneller Aufstieg unmöglich ist. Es gibt auch Vollgesichtsmasken, bei denen Maske und Atemregler zusammenhängen. Da ist die Gefahr geringer, dass man den Atemregler bei einer Kollision mit der Wand oder einem Felsen verliert.

Klingt trotzdem extrem gefährlich. Wie soll das mit Kindern funktionieren?

Ich denke, dass die Kinder in dieser Höhle sehr motiviert sind. Sie haben schon viel durchgestanden. Wenn sie jetzt Essen und Trinkwasser bekommen haben und körperlich wieder fit sind, glaube ich, dass sie die Herausforderung annehmen - und durch die Höhle tauchen werden. Natürlich sind die Jugendlichen in Gefahr, denn durch die schlechte Sicht hat auch ein Profitaucher keinen Einfluss auf die Situation, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Noch dazu ist das Wasser in der Höhle wild und strömt extrem. Dadurch wird man den Weg hinaus auch nicht in Ruhe absolvieren können.

Wäre es nicht besser abzuwarten, bis das Wasser von selbst zurückgeht?

Die Regenzeit in Thailand dauert noch bis September oder Oktober. In dieser Zeit ist es unwahrscheinlich, dass das Wasser in der Höhle zurückgeht oder schnell genug abgepumpt werden kann. Den Kindern das Tauchen beizubringen und sie dann hinauszubegleiten, geht viel schneller.

Warum sind Sie sich da so sicher?

Ich selbst habe eine ähnliche Rettungsaktion schon in Deutschland betreut. Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis die Eingeschlossenen die Grundregeln verstanden haben. Ein Risiko lässt sich aber nie ausschalten: Dass eines der Kinder auf dem Weg hinaus plötzlich Panik bekommt oder unter Wasser ein Unfall passiert.

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