Terror in Toulouse:Täter soll Videokamera um den Hals getragen haben

In Frankreich gilt die höchste Terrorwarnstufe "écarlate", scharlachrot: Nach dem tödlichen Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse und den Morden an drei Soldaten haben die Ermittler noch keine heiße Spur. Der Innenminister befürchtet, der Täter könne wieder zuschlagen - weil die Bluttaten sein Selbstvertrauen gestärkt hätten.

Ein Lehrer, seine beiden kleinen Kinder, eine Schülerin und drei Soldaten - sie alle starben durch Kugeln aus derselben Waffe. Am späten Montagnachmittag hat die französische Polizei bestätigt, was die Bewohner von Toulouse befürchtet und worüber die Medien spekuliert hatten, nachdem am Montagmorgen ein Unbekannter auf einem Motorroller vor einer jüdischen Schule ein Blutbad angerichtet hatte.

Terror in Toulouse: Vor einer jüdischen Schule in Paris steht ein schwerbewaffneter Polizist: Nach dem Anschlag auf die Privatschule Ozar Hatorah in Toulouse gelten in ganz Frankreich verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für jüdische und muslimische Einrichtungen.

Vor einer jüdischen Schule in Paris steht ein schwerbewaffneter Polizist: Nach dem Anschlag auf die Privatschule Ozar Hatorah in Toulouse gelten in ganz Frankreich verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für jüdische und muslimische Einrichtungen.

(Foto: AP)

Als Reaktion auf diese Ermittlungsergebnisse rief Präsident Nicolas Sarkozy am Abend die höchste Alarmstufe des nationalen Anti-Terrorplans "Vigipirate" aus: "écarlate", scharlachrot. Es ist das erste Mal überhaupt, dass diese Gefährdungsstufe angenommen wird. Nach den Terroranschlägen 2005 in London galt die zweithöchste Stufe auf einer vierstufigen Skala, "rouge" (rot).

Der Plan ermöglicht den kombinierten Einsatz von Polizei und Militär in gefährdeten Gebieten, im konkreten Fall: im Großraum Toulouse. Mehr als 200 Beamte machen dort Jagd auf den "Motorroller-Schützen". "Vigipirate" ermöglicht darüber hinaus beispielsweise Zugangskontrollen an Bahnsteigen, die teilweise oder komplette Sperrung von Tunnels und den Stopp des zivilen Luftverkehrs. Maßnahmen, die bei der Fahndung nach dem mutmaßlichen Siebenfach-Mörder helfen könnten, von dem bislang jede Spur fehlt.

"Wir wissen heute nicht, wer er ist"

Am Dienstag räumte der französische Innenminister in einem Radiointerview ein, dass die Ermittler bei der Suche nach dem Täter noch im Dunkeln tappen: "Wir wissen heute nicht, wer er ist", sagte Claude Guéant dem Hörfunksender Europe 1. Das Risiko weiterer Anschläge sei nicht auszuschließen. Das Gefühl des Täters, bei allen drei Anschlägen problemlos davongekommen zu sein, stärke womöglich sein Selbstvertrauen.

Die Zeitung Le Monde hatte zwar berichtet, der Attentäter sei beim Anschlag auf die jüdische Schule Ozar Hatorah von einer Überwachungskamera gefilmt worden und das entsprechende Videomaterial würde von den Ermittlern ausgewertet. Doch bereits am Montagabend hatte Guéant im französischen Fernsehen bedauert, dass es momentan nicht möglich sei, ein Phantombild des Todesschützen zu erstellen, weil dieser bei seinen Angriffen immer einen Motorradhelm aufhatte. Über ihn ist lediglich bekannt, dass er von eher kleiner Statur ist und immer schwarz gekleidet war.

Innenminister Guéant bestätigte Aussagen von Zeugen, wonach der Täter beim Anschlag auf die Privatschule eine kleine Videokamera an einem Band um den Hals getragen haben könnte. "Ich weiß nicht, ob er alles gefilmt hat", sagte er dem Radiosender Europe 1, "aber ein solches Gerät wurde tatsächlich gesehen."

Der Hintergund der Verbrechen ist noch offen, wenn sich auch die Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv zu verdichten scheinen. Präsident Sarkozy sprach am Montagabend von einer "offensichtlich antisemtischen Motivation" hinter dem Angriff auf die jüdische Schule in Toulouse. Wie aus Ermittlerkreisen verlautete, verfolgen die Behörden derzeit zwei mögliche Hauptfährten: eine islamistische und eine rechtsextreme. Für eine rechte Gesinnung des Schützen würde sprechen, dass die in der vergangenen Woche in Toulouse und Montauban erschossenen Soldaten aus Nordafrika stammten. Ihr schwerverletzter und noch im Koma liegende Kamerad stammt von der Karibikinsel Guadeloupe.

Spekuliert wird, dass es sich bei den Morden an den Fallschirmjägern um einen Racheakt handeln könnte. Zwei der Opfer gehörten zu einem Regiment, das 2008 in die Schlagzeilen geraten war, weil sich drei Soldaten beim Ausführen des Hitlergrußes fotografieren hatten lassen. Zwei Männer wurden einem Bericht von Europe 1 zufolge nach dem Vorfall versetzt, der dritte schied aus der Armee aus. Wie das französische Magazin Le Point berichtet, soll einer der Soldaten bereits vernommen worden sein, nach den beiden anderen werde gesucht. Offiziell bestätigt sind diese Informationen jedoch nicht.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte zwischenzeitlich berichtet, auch die beiden anderen Männer seien in der vergangenen Nacht verhört worden und kämen als Täter nicht in Frage. Ein hochrangiger Polizeibeamter dementierte diese Meldung jedoch gegenüber der Zeitung Le Monde.

Innenminister Guéant bekräftigte, dass entsprechenden Hinweisen nachgegangen werde: "Aber das ist eine Spur unter mehreren, die nicht bevorzugt behandelt wird."

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