Taxifahren in Kairo:Rosarote Panther

Female drivers of the Pink Taxi company stand in front of a taxi from the company in Cairo, Egypt

Taxis von Frauen für Frauen: Die Ägypterin Reem Fawzy (rechts) und ihr Team aus studierten Taxi-Fahrerinnen.

(Foto: Amr Abdallah Dalsh/Reuters)

Ein Taxidienst nur für Frauen soll in Kairo weibliche Fahrgäste vor sexueller Belästigung schützen. Nicht alle finden die Idee gut.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Daumen nach oben, Victory-Zeichen, Daumen nach unten. So beschreibt Reem Fawzy die gemischten Reaktionen, wenn sie mit ihrem rosa beklebten Auto testweise durch Kairo fährt. Sie besitzt 20 davon, bald sollen es 50 sein. In wenigen Tagen werden die Wagen als Taxis durch Ägyptens Hauptstadt fahren. Nur für Frauen, ausschließlich von Frauen gesteuert.

"Pink Taxi" - so hat die Unternehmerin ihr Projekt getauft, Vorbilder gibt es auf der ganzen Welt, in Manchester und Delhi, in Dubai oder Teheran. Pink ist die Bluse der 44-jährigen Unternehmerin, ihr Kopftuch, ihr Lippenstift. Selbst die Fingernägel hat sie sich in der Farbe ihrer Firma lackiert. "Mir geht es in erster Linie um den wirtschaftlichen Erfolg", sagt Reem Fawzy. "Aber natürlich hat Pink Taxi auch eine gesellschaftliche Mission." Und die ist in Ägypten nicht unumstritten.

Die Taxis sollen den Frauen in der 20-Millionen-Stadt ein sicheres Transportmittel bieten. Sexuelle Belästigung ist eines der größten Probleme der ägyptischen Gesellschaft, von allgegenwärtigen anzüglichen Bemerkungen und glotzenden Blicken geht es über Grapschereien bis hin zu Vergewaltigungen. In Umfragen geben fast 100 Prozent der Frauen an, bereits Opfer von sexueller Belästigung geworden zu sein. Öffentliche Verkehrsmittel, die drängend eng besetzten Minibusse, sind berüchtigt. Vor allem nachts fühlen sich viele Frauen aber auch in den normalen weißen Taxis nicht sicher, die meist von Männern gelenkt werden. "Ich musste bisher immer meinem Mann oder den Kindern das Kennzeichen per SMS schicken, wenn ich ein Taxi genommen habe", sagt Reem Fawzy.

In ihren Taxis sollen sich Frauen nun sicher fühlen. Gehalten wird nicht auf Handzeichen, die pinken Wagen müssen per Telefon bestellt werden, später soll es auch eine Smartphone-App geben. Vor der ersten Fahrt müssen die Kundinnen ein Foto von ihrem Ausweis schicken - das soll Sicherheit auch für die Fahrerinnen garantieren. "Die Autos sind mit einer Kamera ausgestattet und können vom Kontrollraum per GPS geortet werden; zudem gibt es in jedem Wagen einen Notfallknopf", sagt Reem Fawzy, die zuvor Fahrten für Touristen organisiert hat.

Rückfall in die "Zeiten des Harem"

Die Pink-Taxi-Tarife werden zehn bis 20 Prozent teurer sein als die der regulären Konkurrenz, sagt Reem Fawzy. Doch diesen Aufpreis dürften viele Frauen gerne zahlen. Denn auch manipulierte Zähler oder Fahrer, die versuchen, Aufschläge zu kassieren, soll es bei ihr nicht geben. Kritik kommt dennoch - von Frauenrechtlerinnen.

Eine von ihnen, Ezza Kamel, sagt, die Pink Taxis würden die Trennung der Geschlechter fördern und damit den Kampf gegen Belästigung untergraben. "Frauen müssen sich auch in der Anwesenheit von Männern sicher fühlen können." Intisar al-Saeed, Rechtsanwältin und Direktorin des Zentrums für Entwicklung und Menschenrechte, schimpfte im Fernsehsender al-Arabiya, die rosa Autos würden Frauen "in die Zeiten des Harem zurückwerfen" und die Klassengegensätze verschärfen. Gegen sexuelle Belästigung helfe allein die konsequente Anwendung all jener Gesetze, die gerade verschärft wurden. Ein weiterer Kritikpunkt: Arme Frauen könnten sich die Taxis nicht leisten; sie seien weiter gezwungen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Reem Fawzy zieht ihre geschminkten Augenbrauen hoch, wenn sie so etwas hört: "Wir sind nicht die Polizei, wir sind eine kleine, private Firma", sagt sie. "Wir können das Problem nicht grundsätzlich lösen, dafür ist die Regierung verantwortlich." Kritik ficht sie nicht an. "Nach der Revolution hat es viele Frauen-Initiativen gegeben, von denen die meisten nur reden", sagt sie. "Ich aber tue etwas. Ich schaffe Arbeitsplätze für Frauen und trage dazu bei, dass es normal wird in unserer Gesellschaft, als Frau einen Job zu haben."

An Selbstbewusstsein mangelt es ihr nicht. Bilder von ihr zieren das Büro, den Kaffeebecher, den Kalender. In der Mitte ihrer Fotosammlung hängt eine Aufnahme, die sie neben Hillary Clinton zeigt, die andere mit deren Tochter Chelsea. Reem Fawzy ist ausgewählt worden für das von der US-Investmentbank Goldman Sachs finanzierte Programm "10 000 Women", mit dem Unternehmerinnen in Entwicklungsländern gefördert werden. 2011 hat sie an der American University in Kairo einen Abschluss in Management and Leadership gemacht. Im September 2013 war sie dann eingeladen auf ein Dinner, dessen Schirmherrschaft Clinton hatte.

Universitätsabsolventinnen als Fahrerinnen

"Ich komme nicht aus einer reichen Familie, ich habe nichts geerbt, ich habe mir das alles selber aufgebaut", betont Reem Fawzy. Eine gewisse Selbständigkeit will sie auch ihren Mitarbeiterinnen ermöglichen. Doch aus konservativen Kreisen bläst ihr der Wind ins Gesicht. Die Auffassung, dass sich Frauen nur um die Kinder und den Haushalt kümmern sollen und nicht arbeiten gehen dürfen, ist in Ägypten noch weit verbreitet. Und dann ausgerechnet eine Arbeit als Taxifahrerin? "Ich habe meiner Familie erst von meiner Bewerbung erzählt, als ich den Job und meine Lizenz hatte", erzählt May el-Sawy, eine der Fahrerinnen. Auch sie ist schon über vierzig, ein Alter, in dem es in Ägypten für Frauen immer schwieriger wird, einen Job zu bekommen.

Reem Fawzy ist anspruchsvoll. Sie stellt nur Universitätsabsolventinnen als Fahrerinnen ein. Englisch oder eine andere Fremdsprache müssen sie auch beherrschen. Die Frauen erhalten dann ein zweimonatiges Training, müssen eine Lizenz erwerben, vergleichbar dem Personenbeförderungsschein in Deutschland. 27 der 50 Frauen haben das schon geschafft. Sie werden darüber unterrichtet, wie sie Öl und Kühlwasser nachfüllen und kleine Pannen selbst beheben können. Polizisten schärfen ihnen die Verkehrsregeln ein, auch werden sie psychologisch auf den Umgang mit den Kundinnen vorbereitet und erhalten ein Sicherheitstraining.

In Kairo ist es keine Seltenheit, dass Frauen am Steuer sitzen. "Aber wir hatten in Ägypten nie professionelle Fahrerinnen", sagt Reem Fawzy. "Nicht im Bus, nicht bei der Bahn, nicht in Minibussen. Und viele denken, das Fahren sei ein Beruf für die unteren Schichten." Aber sie zahle gut, sagt sie, und seit die ägyptischen Medien über die Pink Taxis berichten, hat Reem Fawzy auch keine Probleme mehr, geeignete Bewerberinnen zu finden. "Wir ignorieren dumme Sprüche einfach", sagt May el-Sawy, die stolz ist, jetzt zum Einkommen ihrer Familie beizutragen. Auch Reem Fawzy, die mit 19 geheiratet hat, musste sich ihre Freiräume als Unternehmerin erkämpfen. "Mein Mann hätte lieber, wenn ich zu Hause bleiben würde", sagt sie, "aber inzwischen lässt er mich machen."

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