Frankreich:Tastaturchaos à la française

Frankreich: Gibt's bislang nicht in groß: das akzentuierte "é"

Gibt's bislang nicht in groß: das akzentuierte "é"

(Foto: Loic Venance/AFP)
  • Seit 1868 ist in Frankreich die "Azerty-Tastatur" auf Schreibmaschinen und seit ihrem Aufkommen auf PCs üblich.
  • Viele gebräuliche Ligaturen fehlen dadurch - was dazu führt, dass der Gebrauch eines korrekten Französisch auf handelsüblichen Tastaturen fast unmöglich geworden ist.
  • Das will die Normierungsstelle nun ändern - und hofft, dass der Staat die Reform am Markt durchsetzt.

Von Christian Wernicke, Paris

Die lästige Suche nach dem korrekten Buchstaben vergrault Abertausende Franzosen. Seit Jahren, tagtäglich. Nicht nur der Schriftsteller, der am Computer gerade sein "œuvre" (sein Lebenswerk also) vollenden will, stöhnt über die Widrigkeiten mit der Tastatur. Auch jede Landsmännin, die den (vor allem in den Achtzigerjahren populären) Vornamen Lætitia trägt, kennt das Problem: Nirgendwo auf Frankreichs Tastaturen, weder beim PC noch beim Mac, finden sich irgendwo so gebräuchliche Ligaturen wie "das E im O" ("œ") oder "das E im A" ("æ"). Selbst die säuberliche Niederschrift des Wörtchens "œuf" wird so zu einer argen Eierei.

Auf handelsüblichen Tastaturen ist korrektes Französisch "fast unmöglich"

Doch das, und noch vieles mehr, soll jetzt endlich besser werden auf Frankreichs Tastaturen. Vater Staat, in Person der Kulturministerin Fleur Pellerin und ihrer Beamtenschaft, hat sich der Herausforderung angenommen. Ein neues Gutachten der Sprachabteilung des Ministeriums prangert an, es sei auf handelsüblichen Tastaturen "fast unmöglich, ein korrektes Französisch zu schreiben". Bis zum Sommer soll die für Normierungen zuständige Stelle, die "Association française de normalisation (Afnor)", Abhilfe schaffen und eine streng genormte und zugleich leicht verständliche Tastatur entwerfen.

Angefangen hat der Ärger bereits im vorletzten Jahrhundert. Anno 1868 einigte man sich auf Standards zum problemfreieren Gebrauch der guten alten Schreibmaschine. In Frankreich ist seither die " Azerty-Tastatur" - benannt nach ihren ersten sechs Buchstaben - üblich. Verbindlich ist freilich auch diese Version nicht, was zur Folge hat, dass in Zeiten von Euro und Internet so wichtige Zeichen wie "€" und "@" je nach Lust der Hersteller völlig normenfrei mal hier und mal dort auftauchen.

Viele Franzosen haben aufgegeben, Akzente zu setzen, wo sie hingehören

Mancher Mangel schafft sogar rechtliche Probleme. Zu den Eigenheiten der französischen Azerty-Tastatur gehört, dass die Ziffern von 1 bis 10 nur per Umschalttaste erreichbar sind - weshalb wiederum die darunter platzierten Buchstaben nur in Kleinschreibung existieren. Also können wichtige Zeichen wie das akzentuierte "è" und "é", das "à" oder die zärtlich verschnörkelte Cedille - das "ç" - nicht einfach als Großbuchstaben getippt werden.

Viele Franzosen, so klagt die ministerielle Studie, hätten es längst aufgegeben, Wörter in Versalien mit den dazugehörigen Akzenten zu zieren. Sogar bei staatlichen Behörden habe sich dieser Schlendrian eingeschlichen, weshalb viele Datensätze etwa mit großgeschriebenen Namen nun fehlerhaft seien. Denn, so belehrt die Académie Française, ein Akzent habe "vollen orthografischen Wert".

Zudem lauert überall die Gefahr von Missverständnissen. Ein Beispiel? Ein "interne" im Hospital, also ein Assistenzarzt, sei gewöhnlich jemand völlig anderes als ein "interné à l'hôpital", mithin ein (mutmaßlich erkrankter) Gefangener.

Mit der Reform kommen allerlei zusätzliche Modernisierungen

Das Kulturministerium in Paris will die nun angestoßene Reform nutzen, um den Franzosen noch allerlei zusätzliche Modernisierungen zu schenken: So sollen "nützliche Zeichen" wie Promille ("‰") oder "≥" und " ≤" künftig mit ein, zwei Bewegungen der Fingerspitzen erreichbar sein. Wie immer die veränderte Tastatur am Ende aussehen mag: Rechtsverbindlich wird der neue Standard nicht sein. Das Ministerium hofft, der Staat werde die Normierung als Großkunde von Computern am Markt durchsetzen können. So würde aus der Not eine Tugend: Frankreichs Beamte wären die ersten, die - im Kleinen wie im Großen - zurückkehrten zur korrekten Orthografie.

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