Taifun "Haiyan" auf den Philippinen:Auf die Zerstörung folgen Hunger und Plünderungen

Aftermath in the super typhoon devastated city of Tacloban

Überlebende in der fast zerstörten Stadt Tacloban retten ihre Habseligkeiten aus den Trümmern.

(Foto: dpa)

Taifun "Haiyan" ist weitergezogen, aber die Katastrophe auf den Philippinen ist noch lange nicht vorüber. Ganze Landstriche sind verwüstet, es werden mehr als 10.000 Tote befürchtet. Die Überlebenden kämpfen mit Hunger, Verzweifung und Gewalt. Sondereinsatzkräfte gehen gegen Plünderer vor.

Während sich Vietnam auf das Eintreffen des Taifuns am Montag vorbereitet und Zehntausende Menschen in Sicherheit gebracht hat, zeigt sich das verheerende Ausmaß der Katastrophe auf den Philippinen. Die Polizei spricht von mindestens 10.000 Toten allein in der Provinz Leyte mit ihrer Hauptstadt Tacloban. Die Gegend sei völlig verwüstet, die Lage dramatisch. "Geschäfte werden geplündert, und die Menschen versuchen sogar, Geldautomaten zu knacken", berichtete der Gouverneur der Nachbarprovinz, Roger Marcado.

Haiyan hinterließ im ganzen Land wie befürchtet Chaos und Verwüstung. Mindestens vier Millionen Menschen sind nach Angaben der Behörde für Katastrophenschutz direkt vom Sturm betroffen. Er löste Überschwemmungen und Erdrutsche aus, zerstörte zahlreiche Gebäude und kappte Telefonleitungen. In Tacloban lägen Leichen auf den Straßen, sagte ein Sprecher der Zivilluftfahrtbehörde im Fernsehen.

Augenzeugen aus Tacloban sprachen von fünf Meter hohen Wellen. Luftaufnahmen zeigten ganze Landstriche, die verwüstet waren, mit umgestürzten Bäumen und Häusern, die im Wasser standen. Vielerorts war die Kommunikation mit der Außenwelt unterbrochen, weil Strom- und Telefonleitungen zerstört wurden. Der UN-Mitarbeiter Sebastian Rhodes Stampa sagte nach einem Besuch in Tacloban, er fühle sich an die Tsunami-Katastrophe vom Dezember 2004 erinnert.

Die Armee sei inzwischen in dem Gebiet und berge die Opfer. Bisher konnten sich die Rettungsteams wegen umgestürzer Strommasten und Bäume kaum einen Weg nach Tacloban bahnen, wo zahlreiche Leichen auf den Straßen lagen. Der Flughafen und Häuser wurden zerstört, Meerwasser bahnte sich seinen Weg durch die 200.000-Einwohner-Stadt.

Hilfe durch USA, Uno und EU

In der Stadt Baser auf der Nachbarinsel Samar riss der Taifun nach Angaben eines Katastrophenschutzbeamten 300 Menschen in den Tod. 2000 Menschen werden demnach auf der Insel vermisst. Dutzende weitere Tote wurden von weiteren Inseln im Zentrum der Philippinen gemeldet. Die Behörden waren mit den Rettungsmaßnahmen hoffnungslos überfordert. Unzählige Menschen waren in zum Teil abgelegenen Gebieten zu versorgen, zu denen der Kontakt abgebrochen war.

Das US-Verteidigungsministerium kam nach eigenen Angaben einem Hilfegesuch der philippinischen Regierung nach und ordnete die Entsendung von Soldaten zur Unterstützung der Hilfsmaßnahmen an. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon versprach schnelle Hilfe durch die Vereinten Nationen. Das Welternährungsprogramm (WFP) teilte in Genf mit, ein Vorausteam sei zur Einschätzung der Lage nach Tacloban entsandt worden. Zudem werde der Transport von 40 Tonnen Lebensmittel vorbereitet, die 120.000 Menschen einen Tag lang ernähren könnten. Die EU-Kommission gab drei Millionen Euro Soforthilfe für die Opfer auf den Philippinen frei. Damit könnten die nötigsten Bedürfnisse in den am schlimmsten betroffenen Gebieten abgedeckt werden, erklärte die Kommission.

Innerhalb einer Woche könnten Menschen durch Hunger sterben

In Tacloban war die Lage besonders schwierig. "Manche Menschen drehen durch den Hunger oder den Verlust ihrer Angehörigen durch", sagte der Lehrer Andrew Pomeda. "Die Leute werden gewalttätig. Sie plündern Geschäfte, Einkaufszentren, nur um Essen, Reis und Milch zu suchen", fügte der 36-Jährige hinzu. "Ich fürchte, innerhalb einer Woche werden Menschen durch Hunger sterben." Die Polizei schickte Sondereinsatzkräfte, um Plünderer zu fassen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den Philippinen seine Anteilnahme bekundet. Mit Bestürzung habe er von dem Wirbelsturm erfahren, der so schreckliche Verwüstungen angerichtet und vielen Menschen das Leben gekostet habe, zitierte das Auswärtige Amt ein Telegramm Westerwelles an seinen Kollegen Albert F. del Rosario. "Unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei den Opfern, ihren Angehörigen und Freunden. Den Verletzten wünschen wir eine rasche Genesung", heißt es weiter. Die Bundesregierung hat den Philippinen 500.000 Euro Soforthilfe zugesagt. In Absprache mit den Botschaften und Krisenstäben will Westerwelle entscheiden, "was noch darüber hinaus an Hilfe geleistet werden kann." Ein Team des Technischen Hilfswerks ist bereits in die Katastrophenregion unterwegs.

Papst Franziskus hat zu Gebeten für die Todesopfer der Katastrophe aufgerufen. "Ich bitte euch alle, euch meinem Gebet für die Opfer des Taifuns Haiyan anzuschließen", schrieb das Oberhaupt der katholischen Kirche am Samstag auf seinem englischsprachigen Twitter-Account. In einer Mitteilung des Vatikans hieß es, Franziskus sei "tief betrübt" und drücke der betroffenen Bevölkerung seine Nähe aus, berichtete Radio Vatikan.

Haiyan war mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern in der Stunde einer der gewaltigsten Taifune, die je Land erreicht haben. Die Philippinen sind neben schweren Tropenstürmen auch immer wieder anderen Naturkatastrophen ausgesetzt. Das südostasiatische Land liegt auf dem Pazifischen Feuerring, wo es häufig Erdbeben und Vulkanausbrüche gibt. Sollten sich die hohen Opferzahlen durch "Haiyan" bestätigen, wäre dies die schlimmste Naturkatastrophe, die es je auf den Philippinen gab. 1976 waren bei einem Erdbeben der Stärke 7,9 und einem anschließenden Tsunami zwischen 5000 und 8000 Menschen gestorben.

Kurs auf Vietnam mit deutlicher Abschwächung

Der Taifun Haiyan tobt nun wieder über dem offenen Meer und nimmt Kurs auf Vietnam. Er verlor mit seiner riesigen Ausdehnung etwas an Kraft und soll den neuesten Berechungen zufolge am Montag nur noch als tropischer Sturm die Küste erreichen. Von den 600.000 Menschen, die in Sicherheit gebracht worden waren, durfte etwa die Häfte wieder nach Hause zurückkehren. "Die ganze Region Quang Nam war geräumt worden", berichtete die britische Autorin Caroline Mills aus der Nähe von Hanoi. "Nun haben wir alle gesagt bekommen, wir können nach Hause gehen."

175.000 Haushalte waren vorsorglich geräumt worden, hieß es in einer Zwischenbilanz des vietnamesischen Ministeriums für Flut- und Sturmkontrolle. Es ist eine der größten derartigen Aktionen, die es in Vietnam jemals gegeben hat.

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