Tätowiererin Kat von D:Sie geht unter die Haut

Diese Frau sticht in viele Körperteile. Tätowier-Weltrekordlerin darüber, was Beethoven mit Death Metal zu tun hat, warum Salvador Dalí Respekt vorm Tätowieren hat und wie sie auch ihre Mutter tatowierte.

Jürgen Schmieder

Groß. Muskulös. Bikerklamotten. Rauhe Stimme. Kräftiger Händedruck. So stellt man sich eine Begegnung mit dem bekanntesten Tätowierer der Welt vor. Und dann betritt eine zierliche Frau mit langen schwarzen Haaren das Zimmer. Es gibt keinen Handschlag, sondern High Five, dann wirft sich Kat von D auf ihren Stuhl. Sie trägt eine schwarze Lederhose und ein ärmelloses Top, sodass man viele der Tattoos an ihrem Körper sehen kann.

Tätowiererin Kat von D

Tätowiererin Kat von D.

(Foto: Foto: LA Ink)

Man erkennt allein an der Art, wie sie "Hi" sagt, dass sie in Los Angeles lebt. Dort hat sie ihr Tattoostudio - und dort werden die Folgen der Fernsehshow "LA Ink" (in Deutschland zu sehen bei Dmax) aufgezeichnet. Sie sticht nicht nur Berühmtheiten wie Jared Leto, Bam Margera oder die komplette Besetzung der Rockband H.I.M., sondern jeden, der eine Idee hat, die sie interessant genug findet.

sueddeutsche.de: Kat, Ihr Nachname ist von Drachenberg. Das ist ein deutscher Name...

Kat von D: Ja, es gibt sogar die Burg "von Drachenberg" irgendwo im Süden Deutschlands, die gehört Verwandten von mir. Ich habe eine Postkarte, war aber noch nie dort.

sueddeutsche.de: An Ihrer MySpace-Seite sind die Death-Metal-Band Slayer, Beethoven und Dolly Parton zu sehen. Wie passt das zusammen?

von D: Meine Großmutter war Pianistin. Ich spiele Klavier, seit ich sechs Jahre alt bin - und liebe seitdem Beethoven. Und wenn man so jung mit Musik in Berührung kommt wie ich, dann mag man alle Musikrichtungen. Ohne Beethoven würde es Heavy-Metal-Bands wie Mötley Crue nicht geben.

sueddeutsche.de: Und aus der Musikerin wurde ein Tattoo-Star...

von D: Ich war zunächst mal beides. (Sie lacht.) Mein erstes Tattoo habe ich mit 14 Jahren gestochen.

sueddeutsche.de: So jung?

von D: Na und? Es war das Logo der Rockband "Misfits". Wir waren einfach Punk-Rock-Kids, die rumhingen und Quatsch machten. Und sechs Jahre später tätowiere ich ein Mitglied der Misfits. Schon cool, wie manche Kreise sich schließen.

sueddeutsche.de: Inwiefern gehören Musik und Tätowieren zusammen?

von D: Musik hat den Weg für Tattoos in der Öffentlichkeit bereitet. Mötley Crue und Guns n Roses waren die ersten - weit vor Angelina Jolie oder Christina Aguilera. Außerdem ist es der gleiche Lifestyle. (Sie lehnt sich in ihren Stuhl.)

sueddeutsche.de: Das müssen Sie erklären...

von D: Man reist herum, man arbeitet, man feiert. Es geht um einen Weg, sich selbst auszudrücken. (Sie zeigt beide Mittelfinger.) Es ist auch die gleiche Punkrock-Attitüde, dieses "Fuck You"!

sueddeutsche.de: Ein Tattoo ist ein signifikanter Einschnitt im Leben. Haben Sie schon jemanden abgelehnt?

von D: Das mache ich die ganze Zeit, fast jeden Tag. Das können kleine Dinge sein, etwa dass ich einen besseren Tätowierer vorschlage. Ich mache aber auch nichts, was gegen meine Richtlinien verstößt. Rassistische Sachen etwa. Ich versuche auch, die Kunden in eine bestimmte Richtung zu lenken.

sueddeutsche.de: Wie geht das?

von D: Wenn jemand gerade mal zwei Wochen mit einem Typen ausgeht, ist es vielleicht nicht die allerbeste Idee, sich den Namen auf den Hals tätowieren zu lassen. Der Kunde soll ein Tattoo nicht bereuen.

sueddeutsche.de: Bereuen Sie denn eines Ihrer Tattoos?

von D: Nicht wirklich. Ich habe das Portrait meines Ex-Mannes am Bein. Ich finde es nicht schlimm, ich will ihn nur nicht jedesmal ansehen, wenn ich mich auf die Toilette setze. (Sie lacht, dann denkt sie kurz nach.) Vielleicht mache ich irgendwann mal einen Clown daraus.

Lesen Sie im zweiten Teil: Inspiration, das Tattoo ihrer Mutter und was Salvador Dalí übers Tätowieren sagt.

Sie geht unter die Haut

sueddeutsche.de: In der Fernsehserie "Lost" kommt eine Tätowiererin vor, die Menschen erkennt und sie mit Tattoos markiert. Was ist Ihr Zugang?

von D: Ich gehe eher handwerklich vor. Am besten kommt jemand zu mir mit einer Idee davon, was er haben möchte. Und wir entwickeln dann gemeinsam ein Motiv.

sueddeutsche.de: Sie entwickeln Tattoos gemeinsam mit dem Kunden?

von D: Genau. Es läuft nicht so, dass ich zum Kunden sage: "Scheiß auf Deine Idee, ich mache, was ich will." Es geht darum, was der Kunde will. Ich kann nur helfen, die Ideen zu verbessern.

sueddeutsche.de: Welche Leute kommen zu Ihnen?

von D: Bunt gemischt, vom Promi bis zur Oma ist alles dabei. Wir haben natürlich durch den Erfolg der Fernsehshow "LA Ink" sehr viele Anfragen, etwa 4000 bis 6000 pro Tag. Aus diesem Grund suchen wir uns die Spezialitäten heraus.

sueddeutsche.de: Spezialitäten?

von D: Wenn jemand kommt und sagt: 'Kat, Du bist die Beste, kannst Du mir einen Schmetterling stechen?', dann lasse ich das einen Kollegen machen, weil es genauso schön aussieht. Es gibt aber Dinge, die nur ich kann - und dann musst Du zu mir kommen.

sueddeutsche.de: Portraits zum Beispiel...

von D: Ich liebe Portraits. Es macht mir Spaß, wenn jemand mit einem Foto zu mir kommt und sagt: 'Das will ich von Dir interpretiert haben!'

sueddeutsche.de: Lief es auch so, als Sie Ihre Mutter tätowiert haben?

von D: Das war schrecklich! Ich stamme aus einer konservativen argentinischen Familie, die denkt, dass Tattoos etwas Schlimmes sind, dass nur Biker und Junkies und Sträflinge stechen lassen.

sueddeutsche.de: Wie kam der Wandel?

von D: Meine Eltern haben sich nach 26 Jahren Ehe getrennt, und da wollte sich meine Mutter verändern. Sie hat sich gefragt: 'Warum habe ich mir nie ein Tattoo stechen lassen?' Dann hat sie recherchiert und die Bedeutung verschiedener Blumen analysiert. Daraus ergab sich das Tattoo.

sueddeutsche.de: Was ist zu sehen?

von D: Blumen, die meine Mutter und ihre drei Kinder darstellen.

sueddeutsche.de: Bei wem macht das Tätowieren am meisten Spaß?

von D: Wahrscheinlich mit Bam Margera (Skateboard-Profi und Mitglied der MTV-"Jackass"-Crew). Er ist einfach nur verrückt. Er kommt in den Shop und sagt: 'Mach' was immer Du willst. Ich will's nicht einmal sehen.' Ich könnte also einen riesigen Penis auf ihn tätowieren und es wäre ihm egal. Aber das würde ich natürlich nicht tun.

sueddeutsche.de: Dafür stechen Sie andere verrückte Motive. Müssen die immer eine Bedeutung haben?

von D: Das kommt ganz auf den Typ Mensch an. Manche Menschen sammeln Tattoos von verschiedenen Künstlern - egal wie sie aussehen oder was sie bedeuten. Wieder andere lassen sich Portraits von geliebten Personen stechen. Wieder andere wollen, dass es cool aussieht. Ich persönlich bevorzuge Tattoos, die man sich einfach gerne ansieht. Ein hübsches Mädchen mit Blumen etwa. Es gibt nichts Schöneres als eine hübsche Frau.

sueddeutsche.de: Wäre das ein perfektes Tattoo? Viele Künstler suchen ja nach dem perfekten Werk...

von D: Das gibt es beim Tätowieren nicht, weil es immer mit der Person zusammenhängt, die es gestochen bekommt. Aber ich liebe klassische Künstler wie da Vinci und Michelangelo. Also freue ich mich immer, wenn das jemand haben will.

sueddeutsche.de: Apropos Künstler: In Deutschland sind Tätowierer nicht als Künstler anerkannt...

von D: Ich finde das sehr enttäuschend. Salvador Dalí ist mein absoluter Lieblingskünstler. Und der sagte schon 1930, dass Tätowieren die einzige Kunstform sei, die er nie verstehen würde. Und das sagt doch einiges, wenn jemand, der Kunst quasi neu erfunden hat, soviel Respekt vor dem Tätowieren hat.

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