SZ-Nacht:Das Leichte im Schweren

Ein gelassener Staatssekretär, ein Verkehrsminister im Wahlkampfmodus und als Nachtisch ein Münchner Skifahrer-Essen: Eindrücke von der "Nacht der Süddeutschen Zeitung" in Berlin, zu der rund 800 Gäste geladen waren.

Von Nadeschda Scharfenberg

Feiert eine Münchner Zeitung ein Fest in Berlin, dann ist es eine nette Geste, wenn sich Berlin aus diesem Anlass als München verkleidet. Zur "Nacht der Süddeutschen Zeitung" am Mittwochabend im Palais Römischer Hof am Boulevard Unter den Linden hat sich die Bundeshauptstadt mit einer Schneedecke als ihre bayerische Schwester getarnt, und man ist sich plötzlich nicht mehr ganz sicher, ob das Gebäude da hinten tatsächlich das Brandenburger Tor ist oder nicht doch das Siegestor. Die Damen, zumindest diejenigen, denen der Mut zum flachen Schuh fehlt, stöckeln etwas ungelenk über den Gehsteig, die ein oder andere mützengeschädigte Frisur muss gleich vor dem Spiegel wieder in Form gebracht werden. Nichts wie rein ins Warme. Hier fühlt es sich im ersten Moment an wie nach dem Einkehrschwung von der vereisten Skipiste in die Hütte. Später soll es übrigens Kaiserschmarrn geben, die klassische Skifahrer-Nachspeise in den Münchner Hausbergen. Willkommen in Berlin?

Das Wetter ist ein gutes Thema für solche Empfänge, bei denen es darum geht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Zum Schnee kann jeder der 800 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien etwas beitragen, die durch das bläulich beleuchtete Atrium wandeln. Jens Spahn von der CDU zum Beispiel, der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium (und Freizeit-Skifahrer), scherzt, dass man am nächsten Morgen getrost den Wecker eine Stunde später stellen kann, weil bei Schnee in Berlin eh kein Flieger pünktlich startet. Dann gleitet er schwungvoll hinüber in das Thema Wahlkampf in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen.

Es sind die leichten und die schweren Gedanken, die sich an diesem Abend mischen. Der Anschlag am Breitscheidplatz, der Syrien-Krieg, die Amtseinführung von Donald Trump - "es ist ein Treffen in ernsten Zeiten", sagt SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach zur Begrüßung auch im Namen seines Kollegen Kurt Kister. "Aber ernste Zeiten sind gute Zeiten für ernsthaften Journalismus." Und für ernsthafte Diskussionen.

Weißwurst kurz vor dem Mitternachtsläuten - ja sind wir denn in München?

Reporter von den Berliner Zeitungen und Magazinen erzählen von ihren Eindrücken nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt - wie schnell die Hauptstadt zur Routine zurückgekehrt sei, nach dem Motto: Das Leben ist hier jeden Tag gefährlich. Die Münchner Redakteure haben ihre Stadt nach dem Amoklauf im Sommer ganz anders erlebt, in einer wochenlangen Schockstarre. Ein weiteres Großthema unter den Gästen ist die anstehende Bundestagswahl. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, in dem noch immer der CSU-Generalsekretär lodert, analysiert mit wahlkampftaktischem Kennerblick den Gegner. Zwischen zwei Fisherman's-Friend-Pastillen erklärt er, warum er Martin Schulz für den gefährlicheren SPD-Kanzlerkandidaten hält: "Weil er bei den wichtigen Themen in den letzten Jahren so unpräsent war. Er hat noch keinen genervt."

Neben Dobrindt hat sich auch CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller die Ehre gegeben, zwei bayerische Kabinettsmitglieder auf der bayerisch-berlinerischen Party. Viele andere Minister und auch die Kanzlerin weilen stattdessen beim ersten Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie. "Einem Termin mit zehn Jahren Vorlauf lassen wir gerne den Vortritt", scherzt SZ-Chefredakteur Krach - und verspricht: "2023, bei der Eröffnung des BER, wird es keine Terminkollision geben." Da hat es wieder seinen Platz, das Leichte in schweren Zeiten. Auch das Lächeln für die Fotografen geht allweil, wie Schauspielerin Anja Kling oder Fernsehköchin Sarah Wiener zeigen. Letztere bleibt gelassen, obwohl sie ihre Büroleiterin im Getümmel verloren hat.

Zu später Stunde, kurz vor dem Mitternachtsläuten, werden Weißwurst und Currywurst serviert. München oder Berlin? Dann hinaus in den Schnee - doch das Weiß ist weg, drei Grad plus. Willkommen in Berlin.

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