Swingerclub als Kunstobjekt:Haus der Brunft

Gruppensex im Museum - Schmuddelkram oder die künstlerische Interpretation eines uralten Themas? Ein Besuch in der Wiener Secession, die seit kurzem einen Swingerclub beherbergt.

Michael Frank, Wien

Österreich ist ein Paradies für Künstler. Wo sonst noch ist es möglich, Politiker und Öffentlichkeit mit relativ harmlosen Installationen zur Weißglut zu bringen und die hitzige öffentliche Debatte als Element in das Kunststück miteinzubeziehen?

Genau das ist gerade dem Schweizer Christoph Büchel gelungen. In dem exaltierten, berühmten Ausstellungspavillon mit der goldenen Laubkuppel vor der Wiener Akademie der Schönen Künste hat der Spezialist für Installationen vorgeblicher Lebenswirklichkeit einen Swingerclub eingerichtet.

Nüchterne Analysen und kichernde Teenager

der Zur Schau gestellt werde Wirklichkeit, so ähnlich analysieren es die Exegeten des Kunstbetriebs. Lässt man aber an Ort und Stelle zunächst die Scharen kichernder Teenager aus Italien und Spanien an sich vorüberziehen, die sich, auf Bildungsreise in Wien, plötzlich mit derlei schwül-profanen Dingen konfrontiert sehen, dann wirkt die Sache schon recht komisch.

Der Künstler Büchel hat in Kassels Fridericianum schon mal ein Solarium, einen Discountmarkt und ein Wettbüro zur Kunst veredelt. In Wien ist die Realistik kaum mehr zu übertreffen: Was tagsüber als musealer Ort "aktueller Gesellschaftszustände" im stillen Schummerlicht zu besichtigen ist, erwacht nachts zum irrlichternden wirklichen Leben. Denn Interieur und Betrieb des "Element 6", wie die Sache offiziell heißt, stammen von einem real existierenden Nachtclub in der Wiener Kaiserstraße.

Und so tummeln sich denn nächtens hier Stammkunden jenes Etablissements, Gelegenheitsneugierige und jene, die die Durchdringung von Kunst so ernst nehmen, dass sie sich auf Büchels Geheiß auch mal mit Partnertausch und ähnlichen Verrenkungen konfrontieren. Gruppensex im Museum? Die verkniffenen Kunstdebatten wollen seit der Eröffnung am Wochenende in Österreichs Medien nicht enden.

Vaginöse Miesmuschel

Farblich herrscht in den Ausstellungsräumen eine Atmosphäre, die wohl als lasziv gelten soll. Dezent Erotisches an der Wand. Und grob Anzügliches wie das riesige Bildnis einer vaginösen Miesmuschel und eines stolz gereckten Spargels. Dass es sich bei den farbenfroh gepolsterten Separees um Feuchtgebiete handelt, verraten die Boxen mit Papiertaschentüchern. So richtig anregend ist das alles nicht, schon gar nicht der in einer schäbigen Kammer postierte Gynäkologenstuhl.

Die rechtsradikale FPÖ beklagt sich nun, hier würden Steuergelder für Obszönitäten verschleudert. Die christsoziale Vorsitzende des 1. Wiener Gemeindebezirks ist dafür, der Secession als Kunstverein sofort alle Subventionen zu streichen. Dumm nur, dass die Kommunalpolitikerin die Sache selbst genehmigt hat.

Die Secessionsleitung versichert, das Unternehmen "Element 6" trage sich zur Gänze selbst und koste dem Steuerbürger nichts. Auch der berühmte, hier ständig ausgestellte Beethovenfries von Gustav Klimt ist eingerahmt von Tropenschwülheiten aus Plastik nebst Sauna und Sprudelpool.

Büchel, so heißt es, wolle gerade auf die skandalösen Wirkungen anspielen, die dieses keineswegs mit Nacktheit geizende Klimt-Werk einst provoziert hat. Und - mit Verlaub - wüsste man es nicht besser, man könnte Klimts delikat-kitschige Anzüglichkeiten ebenfalls für eine Puffdekoration halten. Wer entlarvt hier wen?

Schon vor weit mehr als hundert Jahren war die Wiener Secession als Kunstkonzept und Bauwerk eine echte Provokation. Warum sollten sich seine Exponate dann ausgerechnet heute vornehme Zurückhaltung auferlegen?

Im Video: Schweizer Künstler Christoph Büchel betreibt einen original Swingerclub mitten im Wiener Secession Museum. Unter dem Motto "Raum für Sexkultur" wird im Museum jetzt fleißig Partner getauscht und gefesselt.

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