Stuttgart:Who kehrs?

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Stimmt es, dass der Schwabe ein irgendwie kauziges Wesen ist? Eine Ausstellung in Stuttgart versucht sich dieser Frage zu nähern. Allein ihr Titel ist ziemlich vielversprechend: "Die Schwaben. Zwischen Mythos & Marke".

Von Josef Kelnberger

Es stimmt schon: Ammanondrgschluggdawortischnokoinrgschdorba. An einem runtergeschluckten Wort ist noch keiner gestorben. Aber doch beschert diese Art zu sprechen dem Schwaben seinen zwiespältigen Ruf. Man nehme nur Winfried Kretschmann. Das Verschlucken und Wieder-Heraufpressen von sperrigen Wörtern hat ihm nicht nur eine chronische Stimmbandentzündung eingetragen. Es ist, in Verbindung mit seinen Gesundheitsschuhen, auch der Grund, warum ihn Parteifreunde außerhalb der Landesgrenzen für einen Kauz halten und seine Wahlsiege für eine seltsame Laune der Geschichte. Schwaben eben.

Der Hass auf emigrierte Schwaben an Orten wie Berlin ("Isch des Bio?") oder Leipzig ("Schwaben zurück nach Berlin!") findet seine Entsprechung im Hadern des Schwaben mit sich selbst. Man hat der Welt so viele schöne Dinge beschert, von Daimler bis zum Dübel, aber ist man doch zu strebsam, zu sparsam, zu spießig? Obwohl er sich durch Fleiß und Schöpfergeist aus historischer Armut befreit hat, neigt der Schwabe als solcher zur Demut. Vermutlich hat es deshalb so lange gedauert, bis sich das Landesmuseum in Stuttgart erstmals an das Thema heranwagte.

Die Ausstellung "Die Schwaben. Zwischen Mythos & Marke" (bis 23. April) vermittelt als Lehre Nummer eins: Die Sprache ist bestimmendes Element des Schwaben. Im Sprachlabor kann der Besucher das Wörterschlucken beispielsweise an verschiedenen Formen der Kartoffel üben: Erdepfel, Grommbiirä, Bodabiirä. Lehre Nummer zwei: Jeder kann Schwabe werden. Auch dafür ist Kretschmann Beleg, Sohn ostpreußischer Flüchtlinge. Bei ihm zu Hause wurde kein Schwäbisch gesprochen.

Sie sind keineswegs direkte Nachfahren der germanischen Sueben, wie ein Mythos behauptet. Natürlich gibt es historische Konstanten. So ist in der Ausstellung eine Skulptur "Mann mit Brezel" aus dem Jahr 1480 zu bestaunen; ein zeitgenössisches Gemälde zeigt dann die Metamorphose der Brezel zum MercedesStern. Ansonsten: allenthalben Brüche. Im späten Mittelalter verabschiedeten sich die Eidgenossen von den "Sauschwaben", seit dem 19. Jahrhundert pflegen die Badener ihren Stolz in Abgrenzung zu den Nachbarn. Sie halten sich, unter Berufung auf ihren Förderer Napoleon, bis heute für weltläufiger.

Who kehrs? Immer wieder arbeiten sich Wissenschaftler an dem Mythos ab, der exemplarisch für Schwaben steht. Die Ausstellung zeigt: Hinter der Kehrwoche steckt nicht Putzwahn, sondern Gemeinschaftssinn. In die gleiche Kategorie fällt die schwäbische Kellerlichtschaltung, ein genialer Mechanismus zwischen Schlüsselbrett und Stromzähler, der im Mietshaus sicherstellt: Wer das Licht brennen lässt, der zahlt.

Die Wahrheit ist: Man muss die Schwaben einfach lieben für die Art, wie sie die Welt und sich selbst immer wieder neu erfinden. Jeder profitiert davon im Alltag, egal, ob man lieber mit Steiff-Teddy oder mit Kettensäge hantiert. Und wer auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, wird dem Konditor und Hustenbonbonhersteller Theodor Kayser ewig danken für seinen Fliegenfänger. Welch eine Genugtuung, wenn die Plagegeister im Leim ihr Leben aushauchen.

Im Werbematerial der Ausstellung tauchen schwäbische Größen wie Jürgen Klinsmann (der wo den deutschen Fußball erfunden hat), Gottlieb Daimler und Friedrich Schiller auf. Den Titel "größter Schwabe aller Zeiten" hat aber Gustav Mesmer (1903 - 1994) verdient, der "Ikarus vom Lautertal". Man steckte ihn in die Psychiatrie wegen "Schizophrenie und Erfinderwahn", dennoch erfüllte er sich seinen Lebenstraum und baute: ein fliegendes Fahrrad. Es hat nicht funktioniert, aber who kehrs? Das Ding sieht grandios aus.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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