Stuttgart 21:Ärger um obszönes T-Shirt

Nach "Oben ohne" jetzt "Tu ihn unten rein": Ein T-Shirt-Aufdruck von Stuttgart-21-Befürwortern erregt die Gemüter in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Die Grünen-Fraktion spricht von einem "Skandal".

Thorsten Denkler

Es tauchte erstmals am vergangenen Samstag auf. Am Rande einer großen Demonstration für das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 hing es an einem der Stände, an denen sich Stuttgart-21-Befürworter mit Buttons, Aufklebern, Flyern eindecken konnten. Und eben auch bedruckten T-Shirts. Die meisten sind völlig harmlos. "I love Stuttgart 21", steht darauf. Oder schlicht "S21 - für Stuttgart ".

Stuttgart 21: Die Silhouette einer anscheinend unbekleideten Frau, daneben in dicken schwarzen Lettern der Spruch: "Tu' IHN unten rein! Stuttgart21". Ein T-Shirt sorgt für Ärger in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.

Die Silhouette einer anscheinend unbekleideten Frau, daneben in dicken schwarzen Lettern der Spruch: "Tu' IHN unten rein! Stuttgart21". Ein T-Shirt sorgt für Ärger in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. 

(Foto: Martin Anner)

Dieses eine aber hat eine ungeahnte Wirkung entfaltet, die zeigt, wie gespannt die Lage trotz der laufenden Schlichtungsgespräche immer noch ist, die an diesem Freitag von Heiner Geißler weitergeführt werden.

Zu sehen ist auf dem T-Shirt die rote Silhouette einer knienden, langhaarigen und anscheinend unbekleideten Frau. Daneben steht in dicken schwarzen Lettern der Spruch: "Tu' IHN unten rein! Stuttgart 21".

Nur ein schlechter Scherz? Nicht für die Gegner von Stuttgart 21. Die stellvertretende Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Marion von Wartenberg, hat sich umgehend mit einem offenen Brief an Ministerpräsident Stefan Mappus und seine Umweltministerin Tanja Gönner gewandt (beide CDU). Sie fordert sie auf, "sich umgehend von diesen sexistischen und diffamierenden Formen der politischen Auseinandersetzung zu distanzieren und bei den Verantwortlichen der Gruppe der Befürworter auf die Rücknahme dieser unsäglichen Exponate einzuwirken".

Die Vorsitzende des baden-württembergischen Landesfrauenrats, Angelika Klingel, sprach von einer "nicht hinnehmbaren frauenfeindlichen Entgleisung". Das sexistische T-Shirt gehöre schleunigst in den Mülleimer.

Die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch, frauenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, hält das T-Shirt für einen "Skandal". Es beleidige Frauen: "Wir werden nicht unbeteiligt dabei zusehen, wie die Befürworter von Stuttgart 21 versuchen, mit derartigen Mitteln Aufmerksamkeit zu erlangen." Sie habe die Stadt Stuttgart aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese T-Shirts zukünftig nicht mehr angeboten oder verkauft werden können.

Vor einiger Zeit noch wären solche Beschwerden wahrscheinlich verklungen, ohne Reaktionen ausgelöst zu haben. Doch die aufgeregte Debatte um Stuttgart 21 hat offenbar manche sensibler gemacht.

"Sexistische Diskriminierung"

Umweltministerin Tanja Gönner etwa hat umgehend reagiert. Mit einem Schreiben vom gestrigen Donnerstag, das sueddeutsche.de vorliegt, antwortet sie auf den offenen Brief der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden: Das T-Shirt sei "frauenfeindlich-sexistisch", schreibt sie, und überschreite die Grenzen des guten Geschmacks. "Wir sind deshalb bereits am vergangenen Montag, als wir erstmals von diesem T-Shirt erfahren haben, auf Verantwortliche der Projektbefürwortergruppen zugegangen mit der Bitte, sich für die Einstellung des weiteren Vertriebes einzusetzen."

Auch die Stadt Stuttgart hat den Ruf gehört. Die städtische Beauftragte für die Chancengleichheit von Frauen und Männern, Ursula Matschke, teilt sueddeutsche.de mit, es habe nur zehn Minuten gedauert, in dieser Frage die Spitze der Stadt an einen Tisch zu bringen - bis hin zu Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU).

Die Runde sei sich schnell einig gewesen, die Polizei mit Ermittlungen zu beauftragen, wer der Urheber des T-Shirts sei, ob rechtlich gegen die Person vorgegangen werden könne und ob sie überhaupt eine Genehmigung gehabt habe, T-Shirts zu verkaufen.

Für Matschke steht fest: "Im Fall des sexistischen T-Shirts werden die zum Schutz und zur Achtung von Frauen in der Werbung festgelegten Grenzen massiv verletzt." Sie verurteile diesen Fall von "sexistischer Diskriminierung und Instrumentalisierung von Frauen aufs Schärfste".

Derartige Entgleisungen haben in dem Konflikt um den neuen Bahnhof schon eine gewisse Tradition. Gönner selbst verlinkt in ihrem Antwortbrief auf mehrere Twitter-Einträge, um zu zeigen, dass die Debattenkultur auf beiden Seiten zu wünschen übrig lässt. Da wird sie etwa als "CDU-Grinsziege" oder als "Dummkuh" beleidigt.

Oberbürgermeister Schuster wurde von Stuttgart-21-Gegnern auf Stickern mit Hitler-Bärtchen abgebildet. Ministerpräsident Mappus musste sich von Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagen lassen, er wolle "Blut sehen", wofür sich Özdemir inzwischen entschuldigt hat.

Unter S-21-Befürwortern wiederum ist ein Button beliebt mit der zweideutigen Aufschrift "Oben ohne". Dazu passt jetzt auch das beanstandete T-Shirt.

Ein Verantwortlicher für das T-Shirt scheint derweil noch nicht ausgemacht zu sein. Vertreter der verschiedenen Pro-Gruppen haben sich allesamt von dem T-Shirt distanziert oder wollen davon nichts gewusst haben. Womöglich hat am Ende doch nur ein Einzelner sich einen Spaß erlaubt.

Wenn dem so ist, dann kann eines festgehalten werden: In Sachen Krisenkommunikation haben die Verantwortlichen in den vergangenen Wochen einiges dazugelernt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: