Studie:Mehr Gewaltkriminalität durch mehr Zuwanderer

Flüchtlinge in Berlin

Flüchtlinge vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin.

(Foto: picture alliance / Michael Kappe)
  • Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Jugend hat die Gewaltkriminalität von Flüchtlingen anhand des Fallbeispiels Niedersachsen untersucht.
  • Ergebnis: Fast jede achte Gewalttat in dem Land rechnet die Polizei einem Flüchtling zu.
  • Das Urteil, Flüchtlinge seien pauschal krimineller, lässt sich dennoch nicht fällen, da sich die Zahlen stark nach Herkunftsländern unterscheiden.
  • Außerdem werden Flüchtlinge schneller einer Gewalttat verdächtigt und angezeigt.

Von Roland Preuß

Da ist der syrische Flüchtling, der seine Freundin in Reutlingen mit einem Dönermesser umbringt, der abgelehnte Asylbewerber aus Ghana, der eine Camperin in der Nähe von Bonn vergewaltigt, oder zuletzt der angeblich 15-Jährige aus Afghanistan, der seine Ex-Freundin vergangene Woche in einem Drogeriemarkt im rheinland-pfälzischen Kandel erstochen haben soll. Solche Gewalttaten heizen die Debatte über Flüchtlinge an. Wer kommt da? Wie kriminell sind die Menschen aus Syrien, Afghanistan oder vom Balkan? Was ist belegbar und was sind Scheinwahrheiten?

In ihrer Untersuchung zur Gewaltkriminalität präsentieren die Kriminologen Dirk Baier, Christian Pfeiffer und Sören Kliem dazu einige Antworten. Fest steht demnach: Durch Flüchtlinge ist es seit dem Jahr 2014 zu einem spürbaren Anstieg von Gewalttaten in Deutschland gekommen, dies überschattet den eigentlich positiven Trend hin zu weniger Mord, Totschlag oder Raubdelikten. Die Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Jugend hatte hierzu die Lage in Niedersachsen analysiert, und zwar mit einem genaueren Blick auf Menschen, die entweder Asyl beantragt haben, irgendeine Art von Schutz erhalten haben, zum Beispiel Asylberechtigte, die als Schutzsuchende abgelehnt wurden oder zur Gruppe mit "unerlaubtem Aufenthalt" zählen.

Ergebnis: Fast jede achte Gewalttat in dem Land rechnet die Polizei einem Migranten aus einer dieser Gruppen zu. Dabei handelt es sich lediglich um Verdachtsfälle, allerdings um solche, welche die Polizei als aufgeklärt einstuft und als solche an die Staatsanwaltschaften abgibt. Flüchtlinge fallen damit deutlich häufiger als Verdächtige einer Gewalttat auf, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.

Das Urteil, Flüchtlinge seien pauschal krimineller, lässt sich dennoch nicht fällen. Zum einen unterscheiden sich die Zahlen stark nach Herkunftsländern, zum anderen lässt sich einiges - wenn auch nicht alles - durch kriminologische Hintergründe erklären. So ist in den Jahren von 2014 bis 2016 auch die Zahl der Flüchtlinge stark gestiegen, nämlich auf mehr als das Doppelte. Dies kann allerdings nur eine Teilantwort geben, denn die Zahl der Tatverdächtigen unter ihnen ist fast um das Dreieinhalbfache gewachsen. Hinzu kommt, dass im Zuge der Flüchtlingskrise besonders viele Jugendliche und junge Männer nach Deutschland kamen. Wer beim kriminellen Verhalten nicht Greise mit Pubertierenden gleichsetzen will, der muss dies berücksichtigen. 14- bis 30-Jährige fallen stets durch besonders viele Gewalt- und Sexualstraftaten auf, unabhängig von Land oder Herkunft.

Darüber hinaus werden Flüchtlinge schneller einer Gewalttat verdächtigt, weil sie häufiger angezeigt werden. Dies lässt sich jedenfalls aus früheren Untersuchungen der Studienautoren folgern. Besonders oft gehen Opfer zur Polizei, wenn der Tatverdächtige anderer Nationalität ist, also etwa ein Serbe einen Deutschen verprügelt oder ein Iraner auf einen Kroaten trifft. Mutmaßliche Opfer von gewalttätigen Flüchtlingen aber sind laut Polizeidaten zu einem Drittel Deutsche oder Menschen anderer Nationalität als der Verdächtige, das heißt, es handelt sich um eine Konstellation, die erfahrungsgemäß besonders häufig eine Anzeige nach sich zieht - und damit überhaupt erst in der Statistik auftaucht.

Die Kriminologen vermuten allerdings, dass die Taten auch etwas mit der Machokultur in den Heimatländern vieler Flüchtlinge zu tun hat; dies habe sich in früheren Befragungen insbesondere bei Jugendlichen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und anderen muslimischen Ländern gezeigt. Sie stimmten besonders häufig Aussagen zu wie: "Ein Mann, der nicht bereit ist, sich gegen Beleidigungen mit Gewalt zu wehren, ist ein Schwächling."

Große Unterschiede zwischen den Herkunftsländern

Blickt man auf einzelne Herkunftsländer der Tatverdächtigen, zeigen sich krasse Unterschiede: Syrer, Iraker und Afghanen fallen deutlich seltener auf als andere Flüchtlinge, Menschen aus Marokko, Algerien und Tunesien dagegen besonders oft. Sie stellten 2016 nur 0,9 Prozent der in Niedersachsen registrierten Flüchtlinge, aber 17,1 Prozent der Tatverdächtigen. Migranten aus Nordafrika standen bereits nach den sexuellen Übergriffen der Silvesternacht 2015/16 im Zentrum der Debatte, sie werden zudem fast alle als Asylbewerber abgelehnt.

Alterstests

In der Debatte um Alterstests hat die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bundeseinheitliche Verfahren zur Altersfeststellung von Asylbewerbern gefordert. Es sei das "gute Recht des deutschen Staates", mit ärztlichen Tests zu klären, ob die Altersangaben mutmaßlich minderjähriger Migranten nachvollziehbar seien, sagt sie im ZDF. Im Saarland müssten sich Flüchtlinge im Zweifel einer Prüfung anhand der Handknochen unterziehen. Bei 35 Prozent dieser Fälle sei festgestellt worden, dass es sich um Volljährige und nicht um Jugendliche handelte. Die Altersfrage beschäftigt im Fall Kandel die Ermittler: Als tatverdächtig gilt der Ex-Freund des getöteten Mädchens, ein Afghane, der nach offiziellen Angaben 15 Jahre alt ist, vom Vater des Opfers aber älter geschätzt wird. dpa

Die Kriminologen sehen da einen Zusammenhang, nämlich Ärger und Perspektivlosigkeit dieser Gruppe, die zudem fast zur Hälfte aus Männern zwischen 14 und 30 Jahren besteht. Doch das dürfte nicht alles erklären, denn auch Asylbewerber aus Balkan-Staaten wie Albanien oder Kosovo müssen oft mit einer Ablehnung klarkommen, fallen aber im Vergleich zu anderen Flüchtlingen dennoch kaum durch mehr Gewalttaten auf. "Wir haben ein Riesenpotenzial an frustrierten Verlierern, für die wir Antworten finden müssen", sagt der Co-Autor der Studie, Christian Pfeiffer. Etwa Deutschkurse, Praktika, konsequente Abschiebungen und Rückkehrprämien.

Pfeiffer und seine Kollegen plädieren zudem für einen leichteren Familiennachzug, der politisch hoch umstritten ist. Die Familie gebe den jungen Flüchtlingen Halt und beeinflusse ihr Verhalten positiv. Ohne diesen Halt seien minderjährige Flüchtlinge, wie der mutmaßliche Messerstecher aus Kandel einer sein könnte, eine starke Risikogruppe.

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