Studie:Kinder in höchster Gefahr

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Unfälle und Umweltverschmutzung sind die häufigsten Todesursachen.

Von Christina Berndt

Wer die schlimmsten Kindermörder in Europa sind, steht jetzt fest. Unfälle, verschmutzte Luft, dreckiges Wasser und Blei sind die größten Umweltgefahren für das Leben und die Gesundheit junger Europäer, wie italienische Wissenschaftler im Fachblatt Lancet belegen. Sie haben für die Weltgesundheitsorganisation WHO erstmals umfassend untersucht, in welchem Umfang Kinder durch ihren Lebensraum Schaden nehmen. Die Ergebnisse sollen kommende Woche auf einer Konferenz in Budapest besprochen werden, an der Experten aus 52 Ländern teilnehmen.

"Auch wenn es europäischen Kindern besser geht als den meisten Kindern im Rest der Welt, leiden sie doch beträchtlich unter ihrer Umwelt", folgert die Leiterin der Studie, Francesca Valent von der Universität Udine. Hervorzuheben seien vor allem Unfälle. Jeder vierte Kindstod wird durch einen dummen Zufall verursacht, der oft durch einfache Vorsorgemaßnahmen zu verhindern gewesen wäre. Dabei droht den Kleinsten die größte Gefahr durch Feuer, Ertrinken und Vergiftungen. Im Straßenverkehr sterben dagegen vor allem ältere Kinder, die schon allein unterwegs sind. "Wir sollten endlich Alkohol am Steuer komplett verbieten, die Höchstgeschwindigkeit in Städten senken und Fußwege besser von Straßen trennen, damit Kinder sicher spielen und zur Schule gehen können", fordert Georgio Tamburlini vom Institut für Kindergesundheit in Triest.

Mehr noch als Unfälle sind in den ärmeren Ländern Osteuropas Luftverschmutzung und verseuchtes Wasser ein Problem. Auf dem Balkan und in den ehemaligen Sowjetrepubliken, von denen die WHO einige zu Europa zählt, werde noch in vielen Haushalten mit Holz oder Kohle geheizt, ohne dass die Räume ausreichend belüftet würden, erklärt Tamburlini.

Dank der neuen Studie ließen sich Gesundheitsrisiken für junge Menschen nun besser einschätzen, befindet die WHO. Denn Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene. Weil ihre Organe noch nicht ausgereift sind, sind sie viel verletzlicher. Außerdem halten sie sich meist besonders lange im Freien auf. Experten zufolge treffen 40 Prozent aller umweltbedingten Krankheiten Kleinkinder unter fünf Jahren.

Eltern aber schätzen die Risiken für ihre Kinder häufig falsch ein. "Die Wahrnehmung hat wenig mit der Realität zu tun", sagt Rüdiger von Kries vom Institut für Soziale Pädiatrie der Uni München. Zwar hielten Eltern den Verkehr zu Recht für gefährlich. Die Gefahr im Haushalt aber blendeten sie oft aus. Dabei ertrinken immer wieder Kinder in der Wanne, verbrühen sich am Herd oder fallen vom Wickeltisch, wenn die Mutter zum Telefon läuft. "Drastisch unterschätzen Eltern auch das Passivrauchen und den Bewegungsmangel", sagt Kries. Und in jüngerer Zeit wachse die Bedrohung junger Menschen durch Stress. Nicht ohne Grund führt das Alte Europa die traurige WHO-Statistik in zwei Bereichen an: bei den tödlichen Verkehrsunglücken und beim Suizid.

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