Streit um Roma in Duisburg:Ratlos in Rheinhausen

In einem Duisburger Stadtteil leben Hunderte Roma aus Rumänien in drei Wohnblöcken. Die Nachbarn sind verärgert, Rechte und Linke versuchen, die Situation für ihre Zwecke auszunutzen. Nur mit den Bewohnern der "Problemhäuser" hat bisher offenbar niemand geredet.

Von Bernd Dörries, Duisburg

Es ist ein Satz, der oft fällt an diesem Tag. Es ist kein schöner Satz. Einer, den die Rechten auch ganz gerne benutzen. Aber was soll man sagen, hier in Duisburg-Rheinhausen, bei dieser Lage?

"Ich habe ja nichts gegen Ausländer", sagt Siegfried Tiedt also - dann kommt das "aber". Das aber ist ein großes Haus, sieben Stockwerke hoch, aus einer Zeit, in der Ost und West sich gar nicht so unähnlich waren in der Architektur, Menschenverwahrungsanstalt. Das Haus steht in einem Stadtteil, der so bürgerlich ist, wie das eben geht in Duisburg. Man fährt über die "Brücke der Solidarität" dorthin. Die wurde damals so genannt, weil die ganze Stadt demonstrierte gegen die Schließung des Stahlwerkes. Jetzt wird wieder protestiert in Duisburg, 22 Teilnehmer der rechtspopulistischen Pro-Deutschland-Partei sind am Donnerstagnachmittag gekommen, um gegen das Haus zu demonstrieren und die Roma, die darin wohnen. Mehr als tausend Demonstranten haben sich zur Gegenkundgebung eingefunden.

Rechte halten Roma für Asylanten - dabei sind sie EU-Bürger

Viele mit gemischten Gefühlen wie Siegfried Tiedt. Er hat ein Haus gekauft, direkt neben den neuen Nachbarn, vor acht Jahren. "Damals war noch alles in Ordnung", sagt Tiedt. Damals wohnten Deutsche darin, und Menschen, von denen man sagt, sie haben eine Zuwanderungsgeschichte, Deutsch-Türken vor allem. Dann kaufte eine Duisburger Rotlichtgröße das Haus, und vermietete es an Roma aus Rumänien. "Asylmissbrauch stoppen", steht auf den Schildern der Radikalen. Aber sie haben das Problem wohl selbst nicht ganz verstanden. Die Roma sind keine Asylbewerber, sondern ganz normale EU-Bürger.

Erst waren es nur ein paar Familien, dann immer mehr, die Schätzungen variieren, wie viele Menschen in den nun insgesamt drei Blöcken leben, zwischen 600 und 1500 sollen es sein.

Es falle schwer, mit ihnen solidarisch zu sein, sagt Tiedt. "Sie kacken auf die Straße, sie schreien bis tief in die Nacht." Tiedt würde gerne sein Haus verkaufen, aber an wen denn? Auch er steht auf der Gegendemonstration, gegen die Rechten, aber er protestiert auch gegen die Zustände vor seiner Tür. "Es ist zum Verzweifeln, die sind so weit entfernt von uns, die wollen sich gar nicht integrieren." Er hat ein Flugblatt dabei und das beginnt so: "Die Bürger von Rheinhausen sind gegen Rassismus, aber sie sind auch gegen Steinzeit-Menschen, die ihre Scheiße im Volkspark und auf den Wegen hinterlassen, Schwäne und Enten aus dem Teich töten und schlachten."

Linke und Rechte kämpfen um Meinungshoheit

Dass dies keine absurde Behauptung ist, das räumen auch Polizei und Stadtverwaltung ein. "Kinder der Zuwanderer werfen mit Steinen und verletzen Bewohner. Die Betroffenen können sich noch nicht einmal wehren, da ihnen sofort Rassismus vorgeworfen wird", heißt es im Flugblatt. Eine Bürgerversammlung wurde kürzlich von Linken gestürmt, Anwohner wurden verletzt. Linke wie Rechte versuchen, das Problemhaus für ihre Agenda zu instrumentalisieren. Die Nachbarn sind meist hilflos, haben eine Nachtwache organisiert. Die Polizei spricht von 306 Einsätzen, die im ersten Halbjahr in den Wohnblocks stattgefunden haben.

"Ich habe keine einfache Lösung"

Zehntausend Roma sollen es insgesamt sein, die sich in Duisburg niedergelassen haben, einer Stadt, die es ohnehin nicht leicht hat. Die mit Arbeitslosigkeit und Leerständen zu kämpfen hat. "Ich habe keine einfache Lösung", sagt Sören Link, der neue und sehr junge Oberbürgermeister der Stadt. Es ist eine seltsame Situation, er steht unter den Gegendemonstranten, und muss sich beschimpfen lassen, mit Vorwürfen, die nicht so weit entfernt sind von denen der Rechtsradikalen. Link rechnet vor, was die Stadt getan hat: Sie hat eine Million Euro ausgegeben, nur um die Zustände um das Haus zu verbessern. Sozialarbeiterstellen wurden geschaffen und 20 neue Stellen bei der Stadtreinigung, die nun jeden Tag teilweise mehrmals um das Haus herum aufräumt, weil die Bewohner ihre Notdurft auf den Gehwegen verrichtet oder ihren Müll einfach zum Fenster hinaus geworfen haben.

Selbst der Innenminister ist ratlos

Ein paar Meter weiter steht der Innenminister Ralf Jäger (SPD), der auch in Duisburg wohnt und der sich nicht ganz so heftig anschreien lassen muss von den Bewohnern - wohl auch, weil er zwei sehr große Personenschützer bei sich hat. Jäger ist einer, der sehr hart gegen Rechte und Rocker vorgeht, und der in der Abschiebungspraxis eher ein Liberaler ist. Aber in diesem Fall wirkt auch er etwas ratlos. "Das deutsche Recht ist auf eine solche Situation nicht vorbereitet", sagt der Innenminister. Die einzige Handhabe gegen die Zustände im Hochhaus ist die Hausordnung. Und die ist dem Besitzer aus dem Rotlichtmilieu ziemlich egal.

Die Roma stehen am Donnerstag vor ihrem Haus und haben sich alle gelbe T-Shirts angezogen, die der Verein "Stimme der Migranten" gespendet hat. Einige halten eine Deutschland-Flagge in der Hand. Ein junger Mann begleitet einen in das Haus, es ist alles besenrein, die Unterhaltung findet mehr mit Händen und Füßen statt als mit Worten. Ganz hinten, in einem Quergebäude haben sie eine kleine Schule improvisiert, da sitzen Kinder aller Altersgruppen und malen, und freuen sich über den fremden Besuch.

Vor dem Haus steht Vasilka Bettzieda vom Verein "Stimme der Migranten". Bisher, so sagt sie, "ist vor allem über die Roma gesprochen worden, aber nie mit ihnen". Sie bräuchten Hilfe, Spielzeug für die Kinder, Plätze in den Schulen. "Wir entschuldigen uns für die Probleme, die es in der Vergangenheit gab. Jetzt wollen wir unsere eigenen Dinge in die Hand nehmen, und das Problemhaus zu einem Haus der Freude machen." Es könnte ein ziemlich langer Weg werden.

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