Streit um Kinderbuch in USA:Heile Waffenwelt

Waffen USA My parents open carry

Meine Eltern tragen die Waffen nicht verdeckt: Ein Kinderbuch in den USA sorgt für Gesprächsstoff.

(Foto: White Feather Press)

Selbstverteidigung ist für viele Amerikaner ein Grundrecht. Damit das auch die Jüngsten verstehen, haben zwei Männer ein Kinderbuch geschrieben, in dem die Eltern mit Pistolen am Gürtel zum Einkaufen gehen. Waffengegner sind empört, der Verlag erfreut.

Von Felix Hütten

Mama, Papa, Tochter, blaue Augen, freundliches Lächeln. Auf den ersten Blick sieht das Cover des Kinderbuches aus den USA nach heiler Welt aus, Bilderbuchwelt eben. Nur was an den Gürteln der Eltern hängt, stört das friedliche Bild: Pistolen. "My Parents Open Carry", sinngemäß: meine Eltern tragen offen, heißt das Buch, das in den USA für Aufregung sorgt.

Das Buch erzählt die Geschichte der Famile Strong, zu deutsch: Stark. Sie lebt in einem mittelgroßen Haus im mittleren Westen der USA und überhaupt ist alles ganz durchschnittlich bei den Strongs. Und weil der Durchschnittsamerikaner, das behaupten zumindest die Autoren des Buches, der Meinung ist, dass Schusswaffen nun mal zum täglichen Leben gehören, erzählen sie in schlichten Zeichnungen und einfacher Sprache, warum die Strongs ihre Pistolen nicht länger verstecken wollen.

Die kindgerechte Lektüre klingt dann so: "Ein paar Teenager wurden neugierig auf die Pistolen der Eltern und fragen, ob sie echt sind. 'Ja', sagt Mutter Strong, 'sie sind echt.' 'Cool!', antwortet der Junge. 'Yeah, wirklich cool', sagt ein Mädchen."

USA Waffendebatte My parents open carry

Mutter Strong erklärt Teenagern ihre Waffen. "Cool", finden die das.

(Foto: White Feather Press)

Die beiden Autoren, normalerweise Computerexperten, wollen nach eigenen Angaben mit ihrem Werk Eltern ein Hilfsmittel an die Hand geben, um dem Nachwuchs spielerisch die Ideen des konservativen Amerikas nahezubringen. "Wir befürchten, dass unsere Kinder mit einer verzerrten Sicht auf unsere Verfassung aufwachsen", sagen Brian Jeffs und Nathan Nephew. Beide sind Gründer von Michigan Open Carry, einem ehrenamtlichen Verein, der sich für Waffenrechte stark macht.

Das Recht, Kinder an Schusswaffen zu gewöhnen

Zu diesem Recht, so zumindest interpretieren Jeffs und Nephew den zweiten Zusatzartikel der US-Verfassung, gehöre es, Kinder an Schusswaffen zu gewöhnen. Der zweite Zusatzartikel erlaubt freien Waffenbesitz in den USA, wird aber nicht erst seit dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown, Connecticut, im Dezember 2012 kontrovers diskutiert.

Die Argumente der Waffenfans sind bekannt: "Selbstverteidung ist ein Grundrecht und Schusswaffen sind nunmal das effizienteste Mittel", sagen Jeffs und Nephew. Erschienen ist ihr Buch bei White Feather Press, einem kleinem Verlag aus Michigan. Dessen Ziel sei es, die Welt zum Besseren bekehren - ist auf der Homepage zu lesen. Und so verwundert es nicht, dass die Autoren von "My Parents Open Carry" auf ihrer Homepage eine Aktion gestartet haben: Für kurze Zeit schenken sie jedem Käufer ihres Buchs ein weiteres Werk aus dem Verlag. "Raising Boys Feminists Will Hate!" In etwa: "So zieht man Jungen auf, die von Feministinnen gehasst werden". Es geht um die Frage, wie Eltern aus ihren Söhnen echte Männer machen. Das kommt bei vielen Amerikanern gut an.

Auf Amazon finden sich ironische, kritische und begeisterte Kommentare zum Waffenbuch für Kinder. Die besten Bewertungen kommen von Eltern, die sich "lange Zeit schwer getan haben, ihrem Kind zu erklären, warum das Recht, eine Waffe zu tragen, von Gott gegeben ist", heißt es unter anderem.

"Zum ersten Mal macht mich ein Kinderbuch sprachlos"

Als das Buch vor zwei Jahren auf den Markt kam, verkaufte es sich nur schleppend. Doch seit einigen Tagen wird über "My Parents Open Carry" erhitzt im Netz gestritten, auf Amazon regt sich Widerstand. Dem Verlag ist das recht, trotz negativer Bewertungen kann er sich über steigende Verkaufszahlen freuen. Eine neue Auflage sei schon in Planung, heißt es.

Dabei spiegelt der Streit um das Buch in den Amazon-Kommentarspalten eine Debatte wider, die schon seit langem in der amerikanischen Öffentlichkeit geführt wird: Wie ist das Recht auf Selbstverteidigung mittels Schusswaffen mit dem Schutz von Unschuldigen zu vereinbaren?

Etwa 300 Millionen Pistolen und Gewehre besitzen die US-Amerikaner, macht umgerechnet eine Waffe pro Einwohner. Allein während Barack Obamas erster Amtszeit als US-Präsident starben mehr als 40.000 Menschen an Schussverletzungen; jedes zehnte Opfer war jünger als 18 Jahre.

Auf Twitter werden die Autoren von "My Parents Open Carry" verhöhnt, die New Yorker Publizistin Elizabeth Law schreibt: "Das erste Mal seit 25 Jahren im Geschäft macht mich ein Kinderbuch sprachlos." Kinder, so schreiben erboste Eltern, müssten lernen, wie gefährlich Pistolen und Gewehre seien - und sich keinesfalls daran gewöhnen.

Im Netz kursiert seit Juni ein millionenfach geklicktes Video der waffenkritischen Organisation Evolve, das das Buch konterkariert: Zwei Mütter unterhalten sich vor einem amerikanischen Reihenhaus, die Kinder spielen im Wohnzimmer. Ein kurzer Plausch am Nachmittag, nichts Wichtiges, da stürmen die beiden Jungs in den Garten und spielen Ritter, bewaffnet sind sie mit Dildos. Den Müttern verschlägt es vor Scham die Sprache. "Verstecken Sie Ihre Waffen", lautet die Botschaft des Videos. Denn Kinder spielen nun mal mit allem, was im Haus so herumliegt.

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