Streit um finanzielle Transparenz:Machtkampf bei Unicef

Bei Unicef Deutschland ist ein offener Machtkampf ausgebrochen. Unicef-Chefin Heide Simonis spricht von Differenzen mit Geschäftsführer Garlichs - und dementiert dies später. Inzwischen liegt auch das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG vor.

Johannes Nitschmann

Bei Unicef Deutschland ist offenbar ein Machtkampf zwischen der Vorsitzenden Heide Simonis und dem Geschäftsführer Dietrich Garlichs ausgebrochen. Simonis sagte am Montag der Süddeutschen Zeitung, sie habe mit ihrem Geschäftsführer grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die finanzielle Transparenz des Kinderhilfswerks. Es gebe derzeit eine harte Konkurrenz auf dem deutschen Spendenmarkt.

Streit um finanzielle Transparenz: Fordert eine uneingeschränkte Finanz-Transparenz bei Unicef: Heide Simonis

Fordert eine uneingeschränkte Finanz-Transparenz bei Unicef: Heide Simonis

(Foto: Foto: dpa)

"In solchen Zeiten müssen Sie absolut transparent sein", sagte Simonis. Nach der Vorstandssitzung bestritt Simonis diese Äußerungen entschieden. In einer Erklärung der Unicef-Geschäftsstelle drohte sie mit einer "Gegendarstellung": Sie habe Äußerungen über Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Geschäftsführer "nicht gemacht". Über die Transparenz bei Unicef bestehe innerhalb des Vorstandes und der Geschäftsführung "absolute Einigkeit".

Der Vorstand von Unicef wies am Montagabend alle Verschwendungsvorwürfe gegen das Kinderhilfswerk zurück. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sei in einer Untersuchung der Vorwürfe zu einem eindeutigen Fazit gekommen, teilte Unicef mit.

Der deutschen Sektion von Unicef waren im November Misswirtschaft und Verschwendung von Spendengeld vorgeworfen worden. Im Zentrum der Vorwürfe steht Geschäftsführer Garlichs, gegen den die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue führt.

Fragwürdige Geschäftsvorgänge

Garlichs wird vorgeworfen, aus Spendengeld hochdotierte Beraterverträge, fragwürdige Provisionen für Spendenvermittler und kostspielige Umbauten der Kölner Unicef-Zentrale finanziert zu haben. Dabei soll es um mehr als 20 fragwürdige Geschäftsvorgänge gehen.

In einem Fall soll ein ehemaliger Unicef-Bereichsleiter monatlich 16.000 Euro als freier Mitarbeiter bei dem Kinderhilfswerk kassiert haben. Einem weiteren freien Mitarbeiter überwies Unicef binnen drei Jahren ein Honorar in Höhe von 191.500 Euro.

Der Unicef-Vorstand erklärte nun: "Die gemachten Vorwürfe sind falsch. Es gab keine Verschwendung von Geldern, keine Unregelmäßigkeiten oder gar Satzungs- oder Gesetzesverstöße. Die Vergabe von Aufträgen erfolgte stets unter nachvollziehbaren betrieblichen Rahmenbedingungen." Der Vorstand sprach Geschäftsführer Garlichs deshalb erneut das Vertrauen aus und bat ihn, "seine erfolgreiche Arbeit fortzuführen".

Simonis hatte Garlichs aufgefordert, sein Amt ruhen zu lassen

Simonis hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe Garlichs aufgefordert, sein Amt bis zu einer lückenlosen Aufklärung der Vorgänge ruhen zu lassen. Mit dieser Forderung hatte sich die Unicef-Vorsitzende in der Führung ihrer Organisation jedoch nicht durchsetzen können.

Vielmehr sprach der Vorstand, in dem Garlichs erkennbar über eine große Hausmacht verfügt, dem Geschäftsführer bereits im Dezember das Vertrauen aus. Gleichzeitig wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer Überprüfung der in der Öffentlichkeit kritisierten Finanzpraktiken beauftragt.

Auch an der Basis des Kinderhilfswerks rumorte es. Die Unicef-Arbeitsgruppe München verlangte den "sofortigen Rücktritt" von Garlichs "im Sinne der Vertrauenserhaltung". Die Unicef-Arbeitsgruppe Niederrhein hat sich aus Protest gegen das Finanzgebaren von Garlichs aufgelöst. "Es geht hier", heißt es in einem offenen Brief, "um soziale Werte, Moral und ethische Grundregeln, die ein Geschäftsführer in einer solchen Organisation haben muss."

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