Mecklenburg-Vorpommern:Sprengstoff und Stockschläge - "Fischbrötchenkrieg" beschäftigt die Justiz

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Prozess um Fischbrötchen in Stralsund. (Foto: dpa)
  • Die Lizenz zum Verkauf von Fischbrötchen im Stralsunder Hafenviertel ist hart umkämpft.
  • Drei Männer wollten offenbar durch Brandanschläge und Einschüchterungsversuche die Konkurrenz zermürben.
  • Nach Verurteilung zu mehrjährigen Haftstrafen in erster Instanz, ist das Verfahren nun wieder aufgenommen worden. Ein Freispruch steht im Raum.

Von Manuel Stark

Ein angezündetes Auto, ein brennendes Schiff, Sprengstoff vor dem Bauamt. Dann wird der Vize-Oberbürgermeister der vorpommerschen Stadt angegriffen. In diesem Kampf sind offenbar alle Mittel Recht, um die Konkurrenz und die Behörden einzuschüchtern. Das Geschäft ist ziemlich einträglich, da stören Mitbewerber nur. Was nach der Handlung eines Kriminalromas klingt, ist Realität in Stralsund.

"Hier ist genügend Platz für uns alle", sagt eine Verkäuferin am Stralsunder Hafen. Doch das sehen offenbar nicht alle so. Die Kulisse mag friedlich wirken. Die sanfte Brandung der Ostsee an der Hafenmauer, darüber ziehen Dutzende Möwen krächzend ihre Kreise. Die berühmte Gorch Fock mit ihren weißen Seegeln, dahinter eine Reihe schmucker Backsteinhäuser. Stralsund ist stolz auf sein Erbe als Hansestadt und auf seinen Ruf als ruhiger Erholungsort, der Touristen anlockt.

Doch inmitten der Ostseestadt tobt ein erbitterter Kampf. Ausgerechnet unter den Betreibern der berühmten Stralsunder Fischkutter. Im Mittelpunkt steht die wohl begehrteste Ware am Hafen: das Fischbrötchen.

Mit der Eröffnung des Deutschen Meeresmuseums Ozeaneum im Jahr 2008 pilgerten immer mehr Touristen zum Hafen. Potentielle Kunden für die dort vor Anker liegenden Kutter, aus denen Händler laut rufend frische Fischbrötchen verkaufen. Bis zu 500 000 Euro Umsatz im Jahr sollen sie pro Kutter machen, schreibt die niedersächsische Zeitung Die Harke. Der NDR berichtet von bis zu 200 000 Euro. Viel Geld in jedem Fall.

Die mecklenburg-vorpommersche Hansestadt wollte deshalb unter der Leitung von Vize-Oberbürgermeister Heinz-Dieter Hartlieb die Zahl der Lizenzen zum Fischbrötchenverkauf im Hafen stark anheben, um die "Luxusstellung" einzelner Kutter abzuschwächen und ein gesundes Konkurrenzgefühl zwischen den Inhabern zu schaffen. Doch einige Fischkutterbesitzer sahen ihre Einnahmen offenbar in Gefahr.

Bombenattrappe und Schlagstock

Kurz darauf wurde Hartlieb mit einem Schlagstock verprügelt. Vor dem Bauamt, dessen Leiter er ist, lag eine Bombenattrappe. Mit 400 Gramm TNT-Sprengstoff, jedoch ohne Zünder. Beiliegend ein Drohbrief mit der Botschaft "Hartlieb, du korruptes Schwein. Verpiss dich aus unserem Amt". Seit diesen Vorfällen steht der Politiker unter ständigem Polizeischutz, wie Oberstaatsanwalt Ralf Lechte auf Anfrage von SZ.de bestätigt.

Doch damit nicht genug. Das Auto und der Fischkutter eines Händlers brannten, ein anderer bekam ein Glas mit stinkender Buttersäure ins Hotelzimmer geworfen. Unter Verdacht: Ein Männertrio, das von einer Fischkutterbesitzerin beauftragt worden sein soll, Stadt und Konkurrenz bei der Vergabe der Lizenzen zu manipulieren. Im April 2013 begann der Prozess, an dessen Ende die drei Verdächtigen vom Landgericht in Stralsund zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Der Frau allerdings konnte keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden.

Jetzt wird der Fall neu aufgerollt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob im Mai 2014 das Urteil auf. Der Grund: Mängel in der Beweiswürdigung. Die Eltern des Hauptverdächtigen, der den Vize-Oberbürgermeister attackiert haben soll, gaben ihrem Sohn erst im späten Prozessverlauf ein Alibi. Der Richter wertete dieses unter Berufung auf seine eigene Berufs- und Lebenserfahrung als Falschaussage.

Nach Meinung des BGH beging der Stralsunder Richter damit jedoch einen Rechtsfehler: Zeugenaussagen dürften nicht interpretiert werden. Zudem hätten die Eltern das Recht selbst zu entscheiden, ob und wann sie eine Aussage machten. Auch die Glaubwürdigkeit der für den zweiten Prozess verbliebenen Zeugen sei fragwürdig, berichtet die Ostsee-Zeitung. Dadurch ist nun eine drastische Wende im Prozess denkbar, der zu einem Freispruch aller drei Angeklagten führen könnte.

An diesem Mittwoch ist ein weiterer Zeuge geladen. Anfang Februar könnte ein Urteil fallen. In Kriminalromanen werden die Täter meist überführt, ihre Verbrechen aufgeklärt. In der Realität des Stralsunder Hafenviertels sieht es derzeit danach aus, als bliebe der Kampf um die Fischbrötchen ohne rechtliche Folgen.

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