Strafprozess in den USA:Nach dem ersten Prozess - die wichtigsten Fakten zum Fall Cosby

Auch nach 52 Stunden Beratung können sich die Geschworenen nicht einigen. Protagonisten und Argumente im Überblick.

Von Jacqueline Vieth und Felicitas Kock

9 Bilder

Bill Cossby

Quelle: REUTERS

1 / 9

Der Strafprozess gegen Bill Cosby endet mit einer Überraschung: Weil sich die Jury nicht einigen konnte, hat der Richter die Verhandlung ohne Ergebnis abgebrochen. Anfangs sah es nach einem schnellen Urteil aus, da die Verteidigung unerwartet nur einen Zeugen befragt hatte. Doch auch nach 52 Stunden Beratung ergab sich für die Geschworenen kein einheitliches Bild.

Hier die Lage nach dem Prozess:

Der Angeklagte

Wenn Bill Cosby das Gericht in Norristown betrat, stützte er sich in den vergangenen Tagen oft auf ein Mitglied seiner Entourage. Der Schauspieler ist seit zwei Jahren blind und schwerhörig, wirkte schwach, aber selbstsicher. Selbst ausgesagt hat Cosby in dem Prozess nicht. Bis zum Ende hatte die Öffentlichkeit darauf gewartet, dass sich der Entertainer doch noch äußern würde. Mit lauter, fester Stimme bestätigte er lediglich, dass er weiter zu den Vorwürfen schweigen wird.

Cosby ist wegen sexueller Nötigung angeklagt. Etwa 60 Frauen haben Vorwürfe gegen den Entertainer erhoben. Da die meisten Anschuldigungen verjährt sind, geht es in dem Strafprozess nur um einen einzigen Fall. Dem 79-Jährigen hätten bis zu 30 Jahre Haft gedroht. Angesichts seines hohen Alters und weil der Fall 13 Jahre zurückliegt und fast verjährt ist, wurde aber erwartet, dass das Gericht bei einer Verurteilung eine deutlich geringere Haftstrafe verhängen würde.

Andrea Constand walks to the courtroom during Bill Cosby's sexual assault trial at the Montgomery County Courthouse in Norristown

Quelle: REUTERS

2 / 9

Die wichtigste Zeugin

Der Fall, um den es geht, betrifft Andrea Constand. Sie lernte Cosby über ihren Job an der Temple University in Philadelphia kennen, an der Cosby studiert hatte und als Held galt. Cosby soll ihr 2004 in seinem Haus Beruhigungstabletten verabreicht und sie sexuell belästigt haben. Deshalb zeigte sie ihn 2005 bei der Polizei an und verklagte ihn wegen sexueller Nötigung. Cosby sagte damals unter Eid aus, häufiger Beruhigungsmittel einzusetzen, um sich Frauen gefügig zu machen. Er beschrieb den sexuellen Kontakt mit Constand als "einvernehmlich". Beide Seiten einigten sich außergerichtlich auf eine ungenannte Summe.

Im aktuellen Prozess rief die Staatsanwaltschaft Constand völlig überraschend schon am zweiten Verhandlungstag in den Zeugenstand. Die wichtigste Zeugin beschrieb detailliert, was ihr in Cosbys Haus widerfahren sei. Wie sie die angeblich "zur Entspannung" dienenden Pillen genommen habe, wie es ihr danach zunehmend schlecht gegangen sei, wie Cosby sie zu einem Sofa geführt habe, später mit dem Finger in sie eingedrungen sei - und sie sich nicht habe bewegen können.

Constand bestätigte vor Gericht, dass Cosby sie schon zuvor bedrängt hatte, sie sich aber trotzdem wieder allein in sein Haus begab. Sie gab auch zu, nach dem Vorfall 2004 noch häufiger mit Cosby telefoniert zu haben. Staatsanwaltschaft und Verteidigung versuchten dies unterschiedlich auszulegen.

District Attorney of Montgomery County Kevin Steele arrives on the third day of actor and comedian Bill Cosby's sexual assault trial in at the Montgomery County Courthouse in Norristown

Quelle: REUTERS

3 / 9

Die Staatsanwaltschaft

Dass Cosby sich nun doch vor Gericht verantworten musste, liegt auch an Bezirksstaatsanwalt Kevin Steele. Nachdem immer wieder Vorwürfe gegen den Schauspieler laut geworden waren, ließ Steele den Fall Constand noch einmal aufrollen - und brachte ihn schließlich vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft stellte Cosby im Prozess als mächtigen TV-Star dar, der seinen Einfluss und seine Berühmtheit an der Temple University ausnutzte, um sich an Frauen zu vergreifen. "An der Temple war Bill Cosby eine Legende", sagte Staatsanwältin Kristen Feden. Auch Constand habe zu dem mehr als 30 Jahre älteren Prominenten aufgeschaut. "Dieser Fall handelt von einem Mann, der seine Macht, seinen Ruhm und seine zuvor geübten Methoden benutzte, um eine junge Frau in einen handlungsunfähigen Zustand zu versetzen, damit er sich sexuell vergnügen kann", so die Staatsanwältin.

Bevor sich die Jury am Montag zur Beratung zurückzog, hatte Steele das letzte Wort: "Jemandem Medikamente zu verabreichen und in eine Position zu bringen, in der man mit ihm machen kann, was man will, ist nicht romantisch. Es ist kriminell", sagte er zu den Geschworenen.

Lawyers arrive ahead of their client Bill Cosby on the second day of his sexual assault trial at the Montgomery County Courthouse

Quelle: REUTERS

4 / 9

Die Verteidigung

Steele bezog sich damit auf die Aussagen der Cosby-Anwälte. Die hatten sich am Montag sehr kurz gehalten und lediglich einen einzigen eigenen Zeugen aufgerufen: Einen der Polizisten, die 2005 Constands Aussage aufgenommen hatten. Die Befragung dauerte wenige Minuten.

In seinem Schlussplädoyer stellte Anwalt Brian McMonagle (im Bild rechts) die Beziehung zwischen seinem Mandanten und Andrea Constand als die eines Liebespaars dar, das "romantische Intermezzi" gehabt habe. "Lassen Sie nicht zu, dass sie sich als Opfer bezeichnet", sagte McMonagle an die Jury gerichtet über Constand.

Kurz vor Prozessbeginn hatten Cosbys Verteidiger, unter ihnen auch Anwältin Angela Agrusa (links im Bild) bereits angekündigt, dass sie Constand als ehemalige Geliebte von Cosby darstellen würden, die aus Geldgier und Rachsucht die Wahrheit verdrehe.

Television news vans are parked in front of the Montgomery County Courthouse, during the third day of Bill Cosby's sexual assault trial at the Montgomery County Courthouse in Norristown

Quelle: REUTERS

5 / 9

Die Jury

Verhandelt wurde der Fall Cosby am Gericht von Norristown, Pennsylvania. Die Auswahl der Geschworenen hatte deutlich länger gedauert als bei anderen Verfahren. Die Jurymitglieder durften sich vor Prozessbeginn noch kein Urteil zu Cosby gebildet haben, was bei der umfassenden Medienberichterstattung schwierig war. 2934 Menschen wurden als potenzielle Geschworene geladen. Am Ende wurden sieben Männer und fünf Frauen ausgewählt. Von ihnen sind nur drei Personen älter als 40 Jahre, zwei sind Afroamerikaner.

Am Montag, nach den Schlussplädoyers von Verteidigung und Staatsanwaltschaft, begannen die Verhandlungen. Seitdem berieten die zwölf Geschworenen teilweise mehr als zwölf Stunden pro Tag, doch sie erzielten keine Einigung. Sie hatten das Gericht aufgefordert, ihnen die Aussage zu übergeben, die Cosby 2005 unter Eid gemacht hatte. Sie argumentierten, sie wollten den "vollen Kontext" von Cosbys Aussage über die Tabletten hören, die er Constand zugeführt hatte.

Actor and comedian Bill Cosby arrives with his wife Camille for the sixth day of his sexual assault trial at the Montgomery County Courthouse in Norristown

Quelle: REUTERS

6 / 9

Cosbys Unterstützer

Einen besonderen Auftritt hatte am Tag der Schlussplädoyers Cosbys Ehefrau Camille. Sie war zuvor nicht bei Gericht erschienen, die Verteidigung wollte sich diesen Trumpf bis zum Schluss aufheben - und ihm dadurch einen besonderen Effekt verleihen.

Actor and comedian Bill Cosby arrives for the first day of his sexual assault trial at the Montgomery County Courthouse in Norristown

Quelle: REUTERS

7 / 9

Schon zuvor hatte sich der Angeklagte immer wieder von bekannten Weggefährten zum Gericht begleiten lassen. Den Auftakt machte Schauspielerin Keisha Knight Pulliam. In der "Bill Cosby Show" hatte sie Cosbys Tochter Rudy gespielt. Am ersten Verhandlungstag begleitete sie ihn in den Gerichtssaal, er hakte sich bei ihr unter. Später veröffentlichte Cosby auf Twitter ein Foto von sich und seiner Fernseh-Tochter aus einem Wartezimmer.

In der TV-Sendung Access Hollywood Live hatte Pulliam Cosby als "großartigen Mann, den sie kenne und liebe" bezeichnet.

Florida nurse Therese Serignese walks outside the courtroom during a break on the second day of Bill Cosby's sexual assault trial at the Montgomery County Courthouse

Quelle: REUTERS

8 / 9

Constands Unterstützer

Auch die Gegenseite war vor Gericht stark vertreten, darunter mehrere Frauen, die ebenfalls behaupten, Opfer Cosbys geworden zu sein. Die Krankenschwester Therese Serignese etwa soll als 19-Jährige von Cosby in einem Souvenirladen entdeckt und in eine seiner Shows eingeladen worden sein. Backstage habe er sie dann unter Drogen gesetzt und vergewaltigt.

-

Quelle: AP

9 / 9

Rechtsanwältin Gloria Allred war ebenfalls Dauergast im Gerichtssaal. Sie vertritt eine kleine Gruppe von Frauen, die Cosby ebenfalls beschuldigen.

Zu ihren Klienten zählt unter anderem Kelly Johnson, die Cosby sexuelle Nötigung vorwirft. Johnsons Fall ist bereits verjährt, im Prozess von Andrea Constand war sie aber als einziges mutmaßliches Opfer ebenfalls als Zeugin zugelassen, da sich die beiden Fälle ähneln. Ein Beispiel, an dem sich recht gut ablesen lässt, dass es in dem Prozess um mehr ging als um den Fall Constand.

© Sz.de/dpa/fie/mane/olkl
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: