Stilkritik:Tortenangriff

Sahne im Gesicht: So etwas ist gut für die Schadenfreude und hat auch in Deutschland Tradition. Jüngstes Opfer wurde die adlige AfD-Frontfrau Beatrix von Storch.

Von Marc Felix Serrao

Was haben der Schwedenkönig Carl Gustav, Jürgen Trittin, Andy Warhol, Bill Gates, Karl Lagerfeld und Beatrix von Storch gemeinsam? Sie alle wurden schon Opfer eines "Tortenangriffs". Bei dieser Urform des practical joke wird eine öffentliche Person bloßgestellt, indem man sie mit Sahne und Teig einsaut. Das gibt, erstens, ein lustiges Foto, im Idealfall garniert mit einem Wutausbruch. Zweitens, kommt man als Tortenwerfer nicht in die Verlegenheit, selbst nachdenken oder sich erklären zu müssen; der Tortenwurf gilt seit Stummfilmtagen als subversive Protestform: hier der kleine Aktivist, da die besudelte Visage der Macht. Aber gilt das noch? Frau von Storch, das jüngste Opfer, ist als AfD-Frontfrau vieles, aber sicher kein Mitglied des bundesdeutschen Establishments. Das erkennt man schon daran, dass vom gebührenfinanzierten SWR bis zur Antifa seither alle fröhlich den Hashtag #tortalerkrieg verbreiten. Die schießwütige Adlige mit ihren gebügelten Blusen, die hat's verdient - das meint hier keine mutige Minderheit, sondern die frotzelnde Mehrheit. Es sei ihr gegönnt, dass die Attackierte wider Erwarten gelassen reagiert und fürs nächste Mal Erdbeerkuchen bestellt hat: "Sahne macht doch dick."

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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