Stilkritik:Sex-Gemüse

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(Foto: oh)

Spargel, Aubergine, Pfirsich: klingt harmlos? Von wegen. Gerade wenn's um Leiblichkeit geht, bedient man sich seit Jahrtausenden metaphorisch am Gemüsestand.

Von Martin Zips

Was einst der Spargel war, ist heute die Aubergine. In Kurznachrichten findet sie als Emoji vor allem dann Verwendung, wenn es um die männliche Lust geht. Neuerdings bietet ein Dating-Portal für Homosexuelle gleich mehrere Auberginen-Arten (gepierct, gefärbt, gestreckt, gestaucht) sowie wohlgeformte Pfirsiche für das zielgerichtete Kennenlernen an. Bananen, Gurken, Zucchini und Würste gelten hier mittlerweile als verpönt.

Wenn es um die Leiblichkeit geht, bedient sich der Mensch metaphorisch schon seit Jahrtausenden beim Obst- und Gemüsehändler. So hat es der Apfel als erotisches Symbol von Adam und Eva, über Paris und Aphrodite bis hin zu Gretchen und Faust geschafft ("Zwei schöne Äpfel glänzten dran,/die reizten mich, ich stieg hinan"). Der Maler Hieronymus Bosch setzt im gleichen Kontext auch auf Kirsche und Erdbeere. Dürer wiederum schützt seine Nackten mit Blättern des Feigenbaumes, was den Verzehr der Frucht nur noch interessanter macht. Granatäpfel, Oliven, Trauben - an erotischem Gewächs herrscht zum Glück kein Mangel. Und notfalls bedient man sich in der Abteilung Meeresfrüchte: Das Stillleben mit Austern des flämischen Malers Osias Beert des Älteren (1610) wirkt, man muss es so sagen, geil.

Die Liebe zu Eierpflanzen wie der Aubergine ist also ja schön und gut: Ein bisschen mehr Kreativität hätte man sich aber schon gewünscht, im Sex-Chat. Schließlich macht eine gezeichnete Melanzane noch lange kein gutes Gericht. Wie wäre es zum Beispiel mit zusätzlich etwas getipptem Walther von der Vogelweide als Kurznachricht beim nächsten Digital-Date? "Ein Halm ist reich an Kraft und gut,/Weil er uns allen Liebes tut."

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