Stilkritik:Rolodex

Rolodex
(Foto: mauritius images)

Das drehbare Adressbuch von Schauspieler Marlon Brando kommt unter den Hammer. Aber wer braucht so ein Ding heute überhaupt noch? Auf jeden Fall: unser Autor.

Von Martin Zips

Der Rolodex ist mehr als ein Schreibtisch-Utensil. Er ist ein Lebensbuch. Ihn hat man sich vor vielen Jahren einmal weiß und unbeschrieben auf den Tisch gestellt. Und mit ihm möchte man am Ende seines letzten Arbeitstages auch das Büro verlassen. Natürlich erst, wenn die letzte Karteikarte gefüllt (und die erste kaum noch zu lesen) ist. Er ist das Leben in Kontakten, alphabetisch sortiert, sorgsam aufgehängt an einer drehbaren Achse. In Los Angeles kommt dieser Tage der Rolodex von Schauspieler Marlon Brando (1924 - 2004) unter den Hammer. Anfangsgebot: 7500 Dollar. Viel Geld für eine Sammlung mit vielleicht gar nicht mehr aktuellen Privatnummern von Jack Nicholson, Johnny Depp, Madonna und Leonardo DiCaprio. Und was bitte bringen dem heutigen Menschen die Adressen von Frank Sinatra, Orson Welles und Muhammad Ali? Immerhin: Seinen Erfinder Arnold Neustadter hat der Rolodex einst reich gemacht. Als Neustadter 1996 im Alter von 85 Jahren in Florida starb, wurden jährlich noch zehn Millionen davon verkauft. Aber heute? Für viele ist der Rolodex ein Ding aus der Schwarz-WeißFilm-Zeit. Stimmt. In Billy Wilders "Das Appartement" steht genau so einer auf dem Schreibtisch des von seinen Vorgesetzten übel ausgebeuteten Angestellten C. C. Baxter (Jack Lemmon). Trotzdem, Leute: Eure Smartphones kommen und gehen. Der Rolodex aber bleibt. Er bleibt ein Freund. Ein Leben lang.

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