Stilkritik:Politischer Protest

Meryl Streep als Donald Trump
(Foto: Paul Zimmerman/Getty)

Meryl Streep steht plötzlich als Donald Trump auf der Bühne, Kollegin Christine Baranski als Hillary Clinton. Protest im Jahr 2016 - was ist nur aus dir geworden?

Von Martin Zips

Da war sich das Netz aber mal wieder ganz schnell einig: Großartig, wie Meryl Streep da protestiert hat! Während einer Gala in New York stand sie plötzlich als Donald Trump auf der Bühne. Wie frech! Wie entlarvend! Mit ihrer Kollegin Christine Baranski (als Hillary Clinton) sang sie ein Duett, welches übervierzigjährige Deutsche noch als "Schlag nach bei Shakespeare" kennen: "Rezitierst du Herrn Shakespeare's Sonette,/zieht sie zärtlich dich zur Lagerstätte./Zeigst du Schwermut wie Herzog Orsino,/wird die Liebe so schön wie im Kino." Harald Juhnke und Wolfgang Völz haben es gesungen. Das Lied stammt aus Cole Porters Musical "Kiss me, Kate". Eigentlich geht es hier um zwei Ganoven, die sich ein paar Tipps zum Frauen-Anbaggern geben. Doch Streep und Baranski haben - mit ein paar Textänderungen - daraus den Kampf zweier Präsidentschaftsbewerber um die weibliche Wählergunst gemacht. Bei der fränkischen Fastnacht feiern solche Darbietungen große Erfolge. Auch die New York Times fand's richtig gut. Das selfie-verschnarchte Online-Publikum sowieso.

Ach, politischer Protest im Jahr 2016, was ist nur aus dir geworden? Will hier eigentlich überhaupt noch jemand all die Trumps, Straches und Petrys ernsthaft verhindern? Bisher hat sich doch noch nicht mal ein Femen-Brüstchen freigelegt. Aber Meryl Streep wird mit ihrer roten Krawatte schon der Anfang gewesen sein. Wie frech. Wie entlarvend.

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