Ein türkischer Arzt vergleicht den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mit dem Gollum aus Tolkiens "Der Herr der Ringe". Ist das nun eine "Präsidentenbeleidigung"? Ein Gericht lässt das gerade prüfen. Schwierige Sache, denn Tolkien-Figuren sind selten eindeutig gut oder böse. Ist der Buch-und-Film-Gollum aus Gerichtsexperten-Sicht aber böse, so drohen dem Arzt zwei Jahre Haft. Tolkien-Experten aus aller Welt haben ihr Urteil längst gefällt: Der Gollum, so schreiben sie im Netz, war ursprünglich gar nicht unsympathisch, wurde aber im Laufe seines Lebens von Narzissmus und Gier zerfressen. Also doch ein passender Vergleich mit Erdoğan? Vorsicht! In Sachen Präsidentenbeleidigung wurden in den vergangenen Monaten in der Türkei gleich Hunderte Ermittlungsverfahren eingeleitet.
"Denn es schlummert in den meisten Tieren eine Majestätsbeleidigung", warnte einst Dichter Frank Wedekind. Aber trifft das auch auf Gollum zu? Der Historiker Ludwig Quidde diagnostizierte am Beispiel römischer Kaiser ein Krankheitsbild, welches er "Cäsarenwahnsinn" nannte. Der Eindruck einer "scheinbar unbegrenzten Macht" fördere die Verschwendungssucht, die Sehnsucht nach militärischen Erfolgen, den Glauben an die eigene Göttlichkeit sowie eine ausgeprägte Neigung zum Verfolgungswahn. Kaiser Tiberius führte gar die Todesstrafe für Majestätsbeleidigung ein.
Was der Gollum wohl dazu sagen würde, mit Erdoğan verglichen zu werden? Immerhin ließ der Präsident die Todesstrafe in seinem Land im Jahr 2004 abschaffen (blöderweise setzt er sich heute wieder für sie ein). Er ließ seine Töchter in den USA studieren (Amerika wurde seiner Meinung nach im Jahr 1178 von Muslimen entdeckt). Und sein unfassbar schöner Palast repräsentiert Stolz und Glanz des türkischen Volkes (leider wohnt nur er darin).
Wirklich dumm, dass der Gollum damals so schlimm im Feuer endete, weil er auf Ring und Macht einfach nicht verzichten wollte. Jetzt kann man ihn gar nicht mehr befragen.