Stierkampf in Spanien:Todesstoß für das blutige Schauspiel

Der archaische Stierkampf gehört in Spanien bald der Vergangenheit an - auch wegen des Tierschutzes, vor allem aber, weil niemand mehr hingeht. Deshalb begrüßen selbst Stierkampf-Veranstalter nun ein Verbot. Es sichert ihnen staatliche Kompensationszahlungen. Am Sonntag endet die Geschichte der Stierkämpfe in Barcelona.

Javier Cacéres

Ein bisschen wird es an diesem Sonntagabend wohl so sein wie immer, wenn in der Monumental, der letzten Stierkampfarena Barcelonas, zur Corrida gebeten wurde.

Stierkampf in Murcia

Das Publikum gealtert, die Stiere gedopt - das Phänomen Stierkampf ist in die Jahre gekommen.

(Foto: dpa)

An der Ecke Gran Vía/Marina werden sich auf der einen Straßenseite die Stierkampfgegner aufbauen, sie werden sich mit falschem Tierblut überschütten und Transparente in der Hand halten. Ihnen gegenüber werden die Befürworter stehen, man wird sich mehr oder weniger scharfe Wortgefechte liefern - zum vorerst letzten Mal. Denn am Sonntag um 18 Uhr wird der "Tod am Nachmittag" in Barcelona selbst einen Tod erleiden.

Im Juli 2010 hatte das katalanische Parlament einem Volksbegehren stattgegeben, das Stierkämpfe in der nordostspanischen Region Katalonien zum 1. Januar 2012 verbietet; nun steht der letzte Kampf der diesjährigen Saison an. José Tomás, die letzte legendäre, berührende Figur aus der Welt der Matadore, wird in die Arena steigen. Aber auch der katalanische Torero Serafín Marín, der betont, dass er sich wie ein Verfolgter fühle: "Wie ein Stierkämpfer im Untergrund".

Das ist nicht nur auf die Stierkampfgegner aus dem Tierschutzlager gemünzt. Sondern auch auf jene katalanischen Nationalisten, die den Kampf gegen die angeblich spanische Fiesta zu ihrer Sache machten, gleichzeitig aber die in ländlichen Regionen verwurzelte Stierhatz ausdrücklich vom Verbot ausnahmen. Der Bürgermeister von Figueres Santi Vila ist überzeugt, dass der Stierkampf nie verboten worden wäre, wenn der in Katalonien besonders verhasste Diktator Francisco Franco (1939-1975) die "Fiesta" nicht zum zentralspanischen, nationalen Symbol erhoben hätte.

Millionenschwere Entschädigungen

Der in Barcelona ansässige Soziologe Manuel Delgado schilderte die Debattenlage nur geringfügig zugespitzt, als er erklärte, der Kampf sei zu einem "Konflikt zwischen fanatischen Nationalisten" mutiert: hier katalanische Nationalisten, die sich "am Rande des Rassismus" bewegten, weil sie "ihr Katalanentum mit einem höheren Zivilisierungsgrad" gleichstellen. Dort der spanische Nationalismus in seiner ärgsten Ausdrucksform: "Neofranquisten, die im Stierkampf ein Symbol ihrer Rasse sehen." Tatsächlich wissen außerhalb Kataloniens die wenigsten Menschen, dass das Volksbegehren von einem jungen Mann angestoßen wurde, der mit den vorurteils- und problembeladenen Identitätsdebatten eher wenig zu tun hat: einem argentinischen Vegetarier.

Die Wahrheit ist, dass sich der Stierkampf in Spanien im Siechtum befindet - nicht nur, aber ganz besonders in Barcelona. Das Publikum wird immer älter, weil junge Leute sich kaum noch mit der archaischen Sitte identifizieren können. Kenner klagen über mittelmäßige und gedopte Stiere, das Staatsfernsehen überträgt schon seit 2006 nicht mehr.

Selbst in Andalusien, einer stierkampffanatischen Gegend, ist die Zahl der Corridas seit 2007 um 50 Prozent zurückgegangen, auch eine Folge der Wirtschaftskrise. Vom Besitzer der knapp hundertjährigen, oft als Konzertbühne genutzten Monumental-Arena heißt es, dass er sich insgeheim die Hände reibt. Die Monumental füllt sich ja nur noch, wenn Star-Torero José Tomás vorbeischaut, da kommen die millionenschweren Entschädigungen, die im Abschaffungsgesetz vorgesehen sind, gerade recht.

Die konservative Volkspartei PP will ein Moratorium des Verbots erreichen. Die PP argumentiert, es sei bei der Lage der Haushaltskasse ein Unding, den Stierkampfunternehmern Kompensationen zukommen zu lassen. Die Konservativen halten das Verbot für verfassungswidrig. PP-Abgeordneter Rafael Luna beteuert: "Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen." Für den letzten Kampf am Sonntag sind die 20.000 Karten bereits vergriffen.

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