Stierkampf in Spanien:Schluss mit Olé

Lesezeit: 1 min

Spaniens Fernsehsender TVE überträgt keine Stierkämpfe mehr - und muss sich deswegen Mangel an Vaterlandsliebe vorwerfen lassen.

Javier Caceres

Auch in diesem Jahr werden wieder 11.000 Stiere in Spaniens Arenen den Tod am Nachmittag erleiden. Ein Novum hat die Saison dennoch parat. Denn erstmals in der 51-jährigen Geschichte des staatlichen Fernsehsenders TVE ist noch kein einziger Stierkampf-Nachmittag live übertragen worden, und da die Saison sich allmählich dem Ende zuneigt, wird dies wohl auch so bleiben.

Es ist ein kontrovers diskutierter Verzicht - und in mehrfacher Hinsicht kurios. Denn die Verbannung vom Bildschirm rührt nicht nur an einer Tradition des Landes, sondern auch an der Geschichte des Senders selbst: Als TVE 1948 erstmals auf Sendung ging, wurde ein Stierkampf übertragen.

Zudem waren zuletzt die regierenden Sozialisten durch besonders patriotische Initiativen aufgefallen: Nicht nur nahm Regierungschef Zapatero auffällig häufig das Wort "España" in den Mund - die Sozialisten legten auch eine parlamentarische Initiative vor, nach der die staatliche Funk- und Fernsehanstalt RTVE den Auftrag erhalten sollte, an der "nationalen Identität Spaniens" mitzubauen. Ohne Olés?

"Kinder werden von Stierkämpfen doch nicht traumatisiert"

Eine "schamlose Attacke auf die Kultur" haben die Stierkampf-Veranstalter ausgemacht, und auch die konservative Volkspartei PP geißelte RTVE für ihren Mangel an Vaterlandsliebe. "Es gibt kein Veto. RTVE hat nichts gegen Stierkämpfe", wehrte sich hingegen der Sender; ob ein Spektakel übertragen werde oder nicht, hänge von der Frage ab, ob die Rechte zur Verfügung stünden oder nicht.

Allerdings scheinen eher ethische Gründe eine Rolle zu spielen - doch offenbar scheut man sich, das den stierkampfverrückten Spaniern, die immerhin über 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen, offen zu sagen. Nur kleinlaut fügte RTVE hinzu, man wolle auch Kinder schützen. Die Stierkämpfe finden traditionell am späten Nachmittag statt - zu der Zeit also, da die spanische Gesetzgebung lediglich Sendungen erlaubt, die für unter 13-Jährige geeignet sind.

Das Nachmittagsprogramm ist tatsächlich nicht immer appetitlich. Allein im vergangenen Jahr wurden dem Rundfunkrat mehr als 30 Klagen über zu viel Gewalt vorgetragen - allerdings betraf keine einzige einen Stierkampf. "Kinder werden von Stierkämpfen doch nicht traumatisiert", erklärte der konservative Abgeordnete Juan Manuel Albendea. Stierkampffreunde müssen in Spanien allerdings nicht auf Übertragungen von Corridas verzichten. Private und regionale Stationen senden weiter - mit großem kommerziellen Erfolg. Auf Einschaltquoten von über 20 Prozent kam TVE im vergangenen Jahr.

© SZ vom 27.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: