Stierjagd in Pamplona:Wie lange laufen sie noch?

Derzeit findet in Pamplona wieder das jährliche Stiertreiben statt. Doch der Rückhalt für die Stierkampf-Tradition in Spanien schrumpft, gerade in den jüngeren Generationen.

Von Thomas Urban, Madrid

In diesen Tagen rennen wieder haufenweise junge Männer durch die engen Gassen im nordspanischen Pamplona vor einer Herde von Stieren davon. Ein paar betrunkene Touristen werden dabei wieder auf die Hörner genommen, es gibt dramatische Szenen, alles wird fotografiert und gefilmt. Seit Jahren ist die Jagd ein beliebtes Massenspektakel, und seit Jahren ist sie für die spanischen Tierschützer ein riesiges Ärgernis.

In den engen Gassen mit ihrem Kopfsteinpflaster stürzen die in Panik geratenen Jungstiere immer wieder übereinander, brechen sich dabei die Haxen und werden dann hinter den Kulissen notgeschlachtet. Das Fest von San Fermin, dem Schutzheiligen von Pamplona, steht wegen seiner Stierjagd weit oben auf der schwarzen Liste der Tierschützer, die sich ein großes Ziel gesetzt haben: Tierquälerei auf Volksfesten unter dem Deckmantel der Tradition zu verbieten. Mehrere Zehntausend Tiere werden bei traditionellen Festen in Spanien zu Tode gebracht, von Tauben und Ratten über Schweine bis zu Pferden und eben Stieren, vor allem Stiere. Dabei geht es besonders um das kunstgerechte Töten durch einen Torero in einer Arena, die Corrida. Darüber tobt seit Jahren ein wahrer Kulturkampf in Spanien, bei dem sich zuletzt eine klare Tendenz abgezeichnet hat: Immer mehr verlieren die Traditionalisten an Boden, während die Initiative "Quälerei ist keine Kultur", was sich auf Spanisch sehr schön reimt ("La tortura no es cultura"), einen Erfolg nach dem anderen vermelden kann.

Jüngster Erfolg: Die Stadt Palma de Mallorca hat die Corrida verboten. Bei den Kommunalwahlen im Mai wurde dort die konservative Volkspartei (PP) durch ein Mitte-links-Bündnis abgelöst. Andere Städte - nicht nur auf den Balearen, sondern auch auf dem spanischen Festland - könnten diesem Beispiel folgen, denn die Konservativen sind nun in vielen Rathäusern in die Minderheit geraten. Zwar hatte das Parlament in Madrid vor zwei Jahren mit der absoluten Mehrheit der PP den Stierkampf zum "schützenwerten nationalen Kulturgut" erhoben. Die Abgeordneten ignorierten dabei einen flammenden Aufruf der auch unter ihnen sonst geschätzten US-Schauspielerin Pamela Anderson, doch endlich das blutige Spektakel abzuschaffen. Doch das Gesetz war nur Augenwischerei ohne praktische Auswirkungen: Für Kulturpolitik sind nämlich die Regionen zuständig, und in den meisten haben linke Gruppierungen, die auch den Tierschutz unterstützen, neuerdings in der Politik mitzureden. So dürften auf Katalonien und die Kanarischen Inseln bald weitere Regionen folgen, die den Toreros mit dem roten Tuch die Rote Karte zeigen.

Daran dürfte der Besuch des neuen Königs Felipe VI. neulich in der Madrider Stierkampfarena nichts ändern. Die Besucher feierten ihn zwar, die Presse aber bemerkte vor allem, dass seine Frau Letizia nicht dabei war. In ihr sehen die Tierschützer eine heimliche Verbündete und hoffen darauf, dass sie ihren königlichen Gemahl doch noch zur Vernunft bringen wird.

Neben den Schlachten um die Kulturpolitik aber sprechen die Statistiken eine klare Sprache: Nur acht Prozent der erwachsenen Spanier haben je live einen Stierkampf erlebt. In der jungen Generation tendiert das Interesse gegen null. Ein privater Fernsehsender hat seinen Stierkampfkanal wegen mangelnder Werbeeinnahmen wieder abgeschaltet. Hinzu kommt die Krise: Der Verkauf der Tickets ging in den letzten sieben Jahren um rund die Hälfte zurück.

Es steht also eher schlecht um die Zukunft der Corrida. Nur bei San Fermin in Pamplona mühen sich die Tierschützer vorerst vergeblich ab. Die Verteidiger sagen, dass ja dabei nicht Stiere gejagt würden, sondern Menschen, und die setzten sich aus freiem Willem dem Risiko aus, auf die Hörner genommen zu werden oder Huftritte abzubekommen. Und wenn Blut fließt, dann ist es eben kein Stierblut, sondern Menschenblut. Und dafür seien die Tierschützer nicht zuständig. Die Wahrheit ist: Die Stiere sterben später in der Arena natürlich trotzdem.

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