Stetson-Hut:Das Original

Der Stetson ist die lässigste Kopfbedeckung aller Zeiten - im Film "Brokeback Mountain" küssen sich zwei Cowboys unter der Hutkrempe.

Tanja Rest

Im Jahr 1865 beschloss John Batterson Stetson, auf dem langen Weg nach Westen inne zu halten und zehn Dollar für eine Ladung Biberfelle auszugeben, und wenn man der Legende glauben darf, war das die beste Idee, die er in seinem verdammten Leben je gehabt hatte.

Schöner Stetson-Träger: James Dean im Kinofilm "Giganten"

Schöner Stetson-Träger: James Dean im Kinofilm "Giganten"

(Foto: Foto: AP)

Der Weg nach Westen war ein elendes Geschäft. Auf den Köpfen der Männer saß zu dieser Zeit noch der Bowler, die elegante Melone, die sie aus Europa ins gelobte Land gerettet hatten. Der Bowler war der schrumpfkrempige Gruß aus der Heimat, ein pathetischer Restposten von Zivilisation in einem sonnendurchglühten Haufen Staub und Horizont. Auf den Treck gen Kalifornien war er genauso wenig vorbereitet wie die Siedler selbst.

Wie wird ein Hut zum Mythos?

John B. Stetson, Sohn eines Hutmachers aus Philadelphia, interessierte an den Biberfellen nur das feine Unterhaar. Aus diesem Pelz walkte er unter Beimengung von Wasser, Druck und Wärme ein Stück Filz, das er auf einen Holzkopf drückte und weiträumig beschnitt. Sommer 1865: Fertig war die erste Cowboy-Kopfbedeckung der amerikanischen Geschichte. Der Breitkrempige. Der Stetson-Hut. John B. nannte ihn großspurig "Boss of the Plains".

Wie wird ein Hut zum Mythos? Doch sicher nicht, indem er ungeheuer praktisch ist. Auch kaum durch Wirtschaftlichkeit. Sondern weil er möglicherweise für etwas steht, das noch größer, verwegener und ausladender daherkommt als er selbst. Genau so ist das mit dem Stetson. Man kann seinen Namen nicht aussprechen, ohne dass vor der inneren Kameralinse John Wayne den Colt aus dem Halfter reißt und den Viehbaron umnietet.

Der "Boss of the Plains" wurde aber zunächst mal ein Verkaufsschlager. Und John B. erreichte den Pazifik nie. Er eilte flugs nach Philadelphia zurück, wo die John B. Stetson Hat Company den Betrieb aufnahm und 1899 bereits 2800 Kunden belieferte.

Fünfzehn Jahre später beschäftigte das Unternehmen als eine der weltgrößten Hutfabriken 5400 Arbeiter, die am Tag 11 000 Stück herstellten - Bowler-Hüte, Damen-Hüte, aber vor allem Cowboy-Hüte, denn der Zug nach Westen war nie abgerissen, und die Sonne brannte noch immer heiß. Von dort drüben, aus dem Herzen Kaliforniens, meldeten sich bald geschäftige Herren. Herren mit Dollars und einer Vision in Cinemascope.

Korrekterweise muss man sagen, dass Hollywoods Westernhelden nicht immer echte Stetsons auf dem Kopf hatten. Sie trugen Hüte, die aussahen wie Stetsons, in der Regel aber von Kostümbildnern angefertigte Einzelstücke waren - Beulen, Einschussloch und Staubschicht inklusive. Aber wen interessierte das? Die Kritiker meinten "Cowboyhut" und schrieben "Stetson", und so ist es geblieben. Eine Marke als Synonym für das Produkt.

Das Original

Der Hollywood-Cowboy, wie wir ihn heute kennen, wäre ohne den ¸¸Herrn der Ebenen" nicht denkbar gewesen. Wer aus freien Stücken tagelang durch ein gesetzloses Land reitet, braucht den Schutz vor der Sonne. Aber noch mehr braucht er den Schutz vor den Blicken der anderen. Die Augen des Westernhelden sind heimliche Augen.

Stetson-Träger

Patriotischer Stetson-Träger

(Foto: Foto: dpa)

Gier, Zorn, Stolz, Verletzlichkeit, dies alles liegt im Schatten seines Huts verborgen, den er bei Tag in die Stirn und nachts bis aufs Kinn zieht und eigentlich niemals abnimmt - es sei denn, eine über alle moralischen Anfechtungen erhabene Madam kreuzt sein Blickfeld. Dann lüpft er den Stetson, grüßt, und der Zuschauer vergeht vor Peinlichkeit, indem er allein sein Haupthaar sieht.

Als Robert Mitchum nackt in der Wanne saß

Ewige Stetson-Momente des amerikanischen Kinos: der große Robert Mitchum, wie er nackt in der Badewanne sitzt, den Hut auf dem Kopf (in "El Dorado", 1966). Dean Martin, wie er den Stetson erst in der allerletzten Szene abnimmt, als Shirley MacLaine beerdigt wird (in "Verdammt sind sie alle", 1958). James Dean, die Beine ausgestreckt, grandios einsam, den Blick unter der Hutkrempe ins Nichts gerichtet (in "Giganten", 1956).

Nur folgerichtig, dass die Marke gemeinsam mit dem Genre aus der Mode kommen sollte. Das Jahr 1970: Der US-Western war ausgebrannt, im alten Europa boomte unter der Regie von Sergio Leone der Italo-Western. John B.'s Urenkel beendeten die Fabrikation und verlegten sich auf Wohltätigkeit.

Aus der Cowboyhut-Fabrik in Philadelphia ist ein Lizenz-Unternehmen in der Hand einer millionenschweren New Yorker Bankerfamilie geworden. Ein Lizenznehmer sitzt in Dallas, einer in Tokio, der dritte - zuständig für ganz Europa - in Köln, Steyler Straße 21. Hartwig Heemeyer, 66, ist seit 44 Jahren Geschäftsführer der Vertriebsfirma Friedrich W. Schneider. Die Outdoor-Stetsons machen sie selbst, die Western-Modelle kommen noch immer aus Texas, USA, und kosten zwischen 60 und 1500 Euro das Stück. Hauptkunden sind die Mitglieder von Western-Clubs. Heemeyer sagt: "Wenn einer im Western-Club richtig angeben will, dann leistet er sich einen 100 X."

Die Filzkrone für echte Kerle

Der "100 X Beaver" ist ein hundertprozentiger Biberhaar-Hut, seidenweich, wasserfest, staubabweisend; praktisch unzerstörbar. Am beliebtesten in den Varianten Hellbeige und Schwarz. John Wayne, Douglas Fairbanks und Ronald Reagan haben ihn privat getragen, Larry Hagman trägt ihn bis heute, George W. Bush hat 70 Stück an seine Anhänger verteilt, bei der Jubelfeier nach seiner Inauguration als US-Präsident. Wer sich mit weniger als 100 X zufrieden gibt, nimmt 10 X. Und kriegt zu 90 Prozent Kaninchen.

In all den Jahrzehnten ist der Stetson ein Männlichkeitssymbol geblieben. Die Filzkrone für echte Kerle. "Starkes Ego, Four-Wheel-Drive, verkniffene Augen, Sie wissen schon", sagt Heemeyer. Nun läuft mit "Brokeback Mountain" ein Film in den Kinos, in dem sich zwei Cowboys küssen, unter der Stetson-Krempe, die bisher alles beschirmt hat, was an Amerika mythisch, männlich und wertkonservativ gewesen ist.

Mal abwarten, wie John B."s Biberhut das wegsteckt.

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