Sprachkritik an Traditionsessen:Hannover verbannt das Zigeunerschnitzel

Zigeunerschnitzel

Umstrittene Mahlzeit: das "Zigeunerschnitzel"

(Foto: HandmadePictures - Fotolia)

Als erste Stadt Deutschlands benennt Hannover ein Traditionsessen um: Das "Zigeunerschnitzel" fliegt von den Speisekarten aller kommunalen Einrichtungen. Doch die Debatte um die politisch korrekte Bezeichnung von Mahlzeiten geht weiter.

Von Mareike Nieberding

Es ist ein Klassiker in Imbissbuden und Kantinen, in Landgaststätten und Großküchen: das "Zigeunerschnitzel". Paniertes Fleisch, kurz gebraten, das in roter Soße, einem Gemisch aus Paprika, Zwiebeln, Tomaten, Champignons und scharfen Gewürzen, schwimmt.

Von den Speisekarten der Stadt Hannover ist das "Zigeunerschnitzel" verschwunden. Und das nicht wegen des streitbaren Geschmacks, sondern wegen des Namens. Die niedersächsische Landeshauptstadt hat den Begriff "Zigeuner" offiziell aus ihren kommunalen Einrichtungen verbannt. Als erste Stadt Deutschlands.

Damit reagiert sie auch auf die Forderung des Forums der Sinti und Roma in Hannover, die Mitte August die Hersteller von "Zigeunersoßen" aufgefordert hatten, diese umzubenennen, weil der Begriff diskriminierend sei. Seitdem wird mal wieder gestritten, ob der Begriff "Zigeuner" als Name eines Lebensmittels rassistisch ist oder nicht.

"Zigeunersauce" wird vorerst bleiben

Seinen Namen hat das Schnitzel übrigens von der "Zigeunersauce", die seit 1903 in Auguste Escoffiers "Guide culinaire" belegt ist. Vom österreichisch-ungarischen Kaiserreich hatte sich das Essen einst über Europa ausgebreitet.

Der "Negerkuss" ist schon lange in keinem deutschen Supermarktregal mehr zu finden. Die "Zigeunersoße" aber wird wohl vorerst bleiben. Denn während die Stadt Hannover auf die Betroffenen reagierte, sträubt sich sowohl der Verband der Hersteller kulinarischer Lebensmittel, als auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, die bisherige Begriffspolitik zu überdenken.

Sinti und Roma loben Reaktion der Stadt

"Wir werfen nicht auf Zuruf Einzelner eine hundertjährige Tradition über Bord", sagt ein Sprecher des Verbands kulinarischer Lebensmittel. Die gesellschaftliche Diskussion werde zwar sehr genau beobachtet. Bisher sehe man aber keinen Grund für eine Umbenennung. Die meisten Menschen würden mit dem Begriff "Zigeunersoße" schließlich etwas Positives verbinden.

Auch der Hotel- und Gaststättenverband hält den Begriff "Zigeuner" für unproblematisch. Er stünde für pikantes Essen - und damit für Lebensfreude. Wenn Menschen sich diskriminiert fühlen, werde man das "natürlich ernst nehmen". Aber die Suche nach Alternativen sei eben nicht einfach. Lebensmittelbezeichnungen sollen dem Kunden schnelle Orientierung bieten, damit der es sich nicht kurzfristig noch anders überlegt.

Thomas Volk, 50, Küchenchef der Rathauskantine Hannover, hat nun jedenfalls sein "Zigeunerschnitzel" zum "Balkanschnitzel" umgetauft. "Nun ist das Gericht regional verankert und niemand muss sich mehr angegriffen fühlen", erklärt er. "Wir kochen hier schließlich im öffentlichen Dienst und der ist für alle Bürger da." Dass die Sprachkritik auch seine Küche erreicht hat, hält er für ein gutes Zeichen. "Nur, weil Begriffe wie Zigeuner vor 50 Jahren in Ordnung waren, müssen sie es ja heute nicht mehr sein", sagt der politisch korrekte Küchenmeister.

Der Vorsitzende des Forums der Sinti und Roma in Hannover, Regardo Rose, lobte die Reaktion der Stadt: "Das ist wirklich eine gute Nachricht und zumindest schon mal ein kleiner Erfolg." Für Küchenchef Volk spielt das Zigeunerschnitzel ohnehin keine große Rolle: "Bei den Fleischgerichten ist die Currywurst der Dauerbrenner." Aber mehr als fünfzig Prozent der Gäste in der Rathauskantine Hannover wählten mittlerweile ohnehin lieber ein rein vegetarisches Gericht.

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