Sprachassistent:Alexa feiert alleine eine Party - bis die Polizei kommt

Sprachassistent: Sprachassistent Alexa.

Sprachassistent Alexa.

(Foto: Amazon)
  • Alexa, eine Version des digitalen Sprachassistenten von Amazon, hat in Pinneberg bei Hamburg einen Polizeieinsatz ausgelöst.
  • Das Gerät spielte so laut Musik ab, dass Nachbarn sich gestört fühlten.
  • Der Besitzer war währenddessen nicht zu Hause. Er sagt, er habe das Gerät nicht eingeschaltet.

Von Oliver Klasen

Hätte Oliver H. gewusst, was seine Alexa in jener Nacht anstellen würde, er hätte niemals unbesorgt das Haus verlassen, um auf der Hamburger Reeperbahn, wie er später auf Facebook schrieb, "ganz entspannt ein Kaltgetränk" zu sich zu nehmen. Alexa zeichnete sich bis dahin durch ausgesprochenes Wohlverhalten aus. Doch am vergangenen Freitag nutzte sie die Abwesenheit des Hausherrn, um in Pinneberg eine ausschweifende Party zu veranstalten. Um 1.42 Uhr, so vermerkt es der Polizeibericht, habe eine Nachbarin Alarm geschlagen, weil aus H.s Wohnung in voller Lautstärke Musik dröhnte. Da selbst auf lang anhaltendes Klingeln und Klopfen niemand reagierte, ließen die Beamten gewaltsam die Tür öffnen.

Alexa ist aber kein aufmüpfiger Teenager, sondern ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Sprachsystem von Amazon. Es steckt in der Lautsprecher-Box Echo, die schon für gut 100 Euro zu haben ist. Mit Echo und Alexa, so verspricht das Unternehmen, wird die Wohnung zum Smart Home, gesteuert von der menschlichen Stimme. Auf Befehl schaltet sich das Licht, der Fernseher oder das Babyphone ein. Alexa kann auch kontrollieren, ob die Haustür abgeschlossen oder noch genug Milch da ist, vorausgesetzt Türschloss und Kühlschrank sind mit vernetzter Technologie ausgestattet.

Das Problem in diesem Fall ist, dass es keine menschliche Stimme gab, die einen Befehl hätte formulieren können. Niemand habe sich in der Wohnung aufgehalten, versicherte H. Auch der Musikstreaming-Dienst auf seinem Handy habe seines Wissens nach keine Verbindung zur Amazon-Box gehabt. Und die Frage des Telefon-Kundendienstes, ob denn ein Fenster gekippt gewesen sei und eventuell jemand von außerhalb des Hauses das Gerät in Gang gesetzt haben könne, verneinte H. ebenfalls.

Die Panne von Pinneberg erinnert an andere Fehlleistungen künstlicher Intelligenz, die zum Teil gravierende Folgen hatten. Im Jahr 2015 etwa identifizierte eine vermeintlich smarte Bilderkennungs-Software von Google zwei schwarze Menschen als Gorillas. Im vergangenen Jahr starb sogar ein Mann, weil der durch KI gesteuerte Autopilot eines Tesla-Sportwagens einen Lkw mit einem über der Fahrbahn hängenden Verkehrsschild verwechselte. Auch in Bezug auf die Datensicherheit warnen Experten schon lange vor smarten Systemen. So werden zum Beispiel sämtliche Sprachbefehle, die Alexa verarbeitet, in der Amazon-Cloud gespeichert, und der Lautsprecher hört ständig den Raum ab, weil er sich auf ein bestimmtes Signalwort hin in Gang setzt.

Auf der Suche nach einer Lösung für das Problem konsultierte der frustrierte Nutzer auch Alexa selbst. Doch das Sprachsystem erwiderte nur: "Ich habe leider keine Antwort auf deine Frage gefunden." H., bisher nach eigenen Angaben zufrieden mit den Diensten von Amazon, war frustriert und entschied sich, das Gerät an den Hersteller zurückzuschicken - das er das kann, ist immerhin ein Vorteil von Alexa gegenüber aufmüpfigen Teenagern.

Es dauerte schließlich einige Tage, bis der Fall aufgeklärt werden konnte. Inzwischen liegt eine Stellungnahme von Amazon vor. Gemeinsam mit dem Kunden habe man "den Grund für den Vorfall identifiziert". Das Lautsprechersystem Echo sei durch "Fernzugriff aktiviert und auf maximale Lautstärke gestellt" worden. Verantwortlich sei, offenbar entgegen dem, was H. zunächst sagte, "die kundeneigene Music-Streaming-App eines Drittanbieters".

Alexa, darauf legt Amazon wert, habe also keinen Fehler gemacht. Trotzdem werde das Unternehmen die Kosten des Vorfalls erstatten. Möglicherweise finden Alexa und H. nun wieder zusammen.

Hinweis: In einer früheren Version des Textes (06.11.) war die Stellungnahme von Amazon noch nicht enthalten. Sie wurde nachträglich ergänzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: