Viele Menschen haben ja eine arg romantische Vorstellung von Kunst, das ist natürlich naiv und heutzutage völlig unhaltbar. Solche Treuherzchen glauben allen Ernstes, dass ein Spielfilm das Ergebnis eines kreativen Prozesses ist; in Wahrheit ist ein Spielfilm das Ergebnis eines komplizierten Vertragswerks.
Von der Produktionsfirma Sony liegt nun eine Art Werkstattbericht vor, ein unfreiwilliger: Hacker haben eine Vereinbarung zwischen Sony und dem Comic-Konzern Marvel von 2011 veröffentlicht, die "verpflichtende Charakter-Eigenschaften" des Superhelden Spiderman festlegt. Das Dokument liest sich, als hätten die Autoren vor allem das Ziel verfolgt, diesem Langweiler von Spinnenjungen keinen Funken Freude am Leben zu gönnen. Spiderman, heißt es da, rauche nicht, fluche nicht und verteile keine Drogen. Ein Schlupfloch könnte höchstens sein, dass ihm der Konsum von Drogen nicht ausdrücklich untersagt wird. Aber schon Spidermans sexuellen Spielraum schränken die Juristen wieder kaltherzig ein: Er darf mit niemandem unter 16 Jahren schlafen - und schon gar nicht mit einem Mann.
Der Kino-Spiderman ist weiß und heterosexuell, das wird keinen Fan überraschen. Die Überraschung ist, dass der Kino-Spiderman vertraglich zu weißer Hautfarbe und grundsätzlichem Interesse an Frauen verpflichtet wurde. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich immer mehr Superhelden als schwul outen: Der X-Man "Northstar" hat einen Kerl geheiratet, Batwoman vernascht gelegentlich eine Polizistin aus Gotham.
Der Comic-Spiderman übrigens hat auch sein Weißsein längst überwunden: Seit 2011 ist er ein schwarzer Latino-Teenager. Man wolle in den Comics "die Vielfalt des wirklichen Lebens spiegeln", teilte Marvel damals stolz mit. Im Kino ist dieser Wunsch offenbar nicht ganz so ausgeprägt.