Korruption im spanischen Königshaus:Royale Telenovela

Spanische Königsfamilie

Gute Zeiten, schlechte Zeiten bei den spanischen Royals: Prinzessin Letizia, Prinz Felipe, Königin Sofía und König Juan Carlos (von links nach rechts) bei der Neujahrsparade

(Foto: Getty Images)

Was hat es mit dem mysteriösen Ring der Infantin auf sich? Welches Geheimnis bedrückt die eingeheiratete Fernsehmoderatorin? Und wird demnächst ein Kellner aus Barcelona Thronfolger? Die Entwicklungen am spanischen Hof erinnern mehr und mehr an den Plot einer Fernseh-Soap.

Von Thomas Urban, Madrid

Der distinguierte weißhaarige Herr im Café Mar del Alabardero gleich neben dem Teatro Real, der Oper von Madrid, schüttelt den Kopf, als er auf das Königsschloss gegenüber zeigt. Fast 40 Jahre lang sei er glühender Juancarlist gewesen, sagt er, sein Beruf als Hofberichterstatter habe ihn glücklich gemacht. "Aber nun türmt sich ein Unglück auf das andere", sagt der Herr, der namentlich auf keinen Fall genannt werden möchte. Denn der distinguierte Herr ist Teil des Hofes, er hat für den Pressestab des Hofamtes gearbeitet, heute tritt er als Adelsexperte im spanischen Fernsehen auf. An diesem warmen Januartag spricht er offen aus, was in Spanien viele denken: Eigentlich müsste der 76-jährige Monarch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes zurücktreten.

Unglück und Ungemach - so erleben Madrider Royalisten und Hofberichterstatter den Start ins Neue Jahr. Die neue Lage macht es ihnen fast unmöglich, ihren Beruf wie gewohnt auszuüben, nämlich den König, die Königin Sofía und ihre Kinder, nämlich die beiden Töchter Elena, 50, und Cristina, 48, sowie den Thronfolger Felipe, 45, als nette Herrscher zum Anfassen darzustellen. Skandale beherrschen das Königshaus.

Cristina gilt seit kurzem in dem Prozess gegen ihren Ehemann Iñaki Urdangarin als Mitwisserin. Ihrem Mann, einem hochgewachsenen ehemaligen Profihandballer, wird vorgeworfen, als Präsident der angeblich gemeinnützigen Stiftung Nóos öffentliche Gelder in Millionenhöhe in die eigenen Taschen umgeleitet zu haben. Und dann war da noch die verunglückte Rede des Königs vor Generälen und Admirälen am Dreikönigstag: Er verhaspelte sich beim Ablesen, machte unsinnige Pausen und verschluckte ganze Satzteile.

König und Königskinder als Witzfiguren

Die Rede lieferte jede Menge Stoff für die Fernsehkabarettisten, das Studiopublikum wieherte dazu. Auch Cristina wurde Opfer des TV- und Internetspotts: Vielleicht komme sie mit mehreren Wochenenden gemeinnütziger Arbeit weg, sie könnte ja im Schlosspark den Müll einsammeln. Ihrem demnächst wohl im Gefängnis sitzenden Mann könnte sie Stullen und eine Thermosflasche mit gutem Kaffee bringen. Eine Fotomontage zeigt Infantin Cristina im Blaumann, darüber ein Spruch aus der Zeit der Republik in den Dreißigerjahren: "Adlige an die Arbeitsfront!"

König und Königskinder als Witzfiguren - das war in Spanien lange undenkbar. Jahrzehnte lang galt die spanische Monarchie als seriös. Das Königshaus war beliebt, die Spanier wussten es zu schätzen, dass aus dem Madrider Zarzuela-Palast keine Skandal- und Schmutzgeschichten kamen wie aus dem Buckingham-Palast. Doch damit ist es derzeit nicht mehr weit her, und das ist der dritte große Brocken aus der ersten Januarwoche: Nur noch rund 40 Prozent der Spanier sind jüngsten Umfragen zufolge mit ihrem König zufrieden. Vor zwei Jahren waren es noch 75 Prozent - ein beispielloser Absturz.

Mit einer Leidensmiene, die der des Königs kaum nachsteht, schenkt sich der Adelsexperte aus einer Karaffe mit dem Ribera del Duero ein. "Der König hat vor zwei Jahren einen fatalen Fehler begangen", sagt er. Damals, als das ganze Land sich angesichts des Absturzes der Wirtschaft in Schockstarre befand, fuhr der Monarch zur Elefantenjagd nach Südafrika, in Begleitung der Prinzessin Corinna zu Sayn-Wittgenstein.

"Mit diesem Gejammere hat er sich selbst zum Abschuss freigegeben"

Das Ganze kam heraus, weil er sich bei einem Sturz einen Hüftknochen brach und in eine Madrider Klinik gebracht werden musste. Irgendjemand unter den Höflingen steckte der Presse, was es mit seiner Begleitung auf sich hatte. Die Frankfurter Managertochter, die, wie die Madrider Blätter spöttisch anmerkten, ihren Adelstitel einer Kurzzeitehe verdankt, sei angeblich seine Geliebte gewesen.

"Das hätten ihm die meisten Menschen in unserem Lande doch vergeben", sagt der Adelsexperte. Man sei schließlich die Heimat von Don Juan. Sein Fehler sei ein anderer gewesen: Er habe öffentlich um Verzeihung gebeten. "Mit diesem Gejammere hat er sich selbst zum Abschuss freigegeben." Er hätte die Affäre einfach aussitzen sollen. Und rechtzeitig hätte der Hof dafür sorgen sollen, dass Corinna Sayn ihrerseits ihren schönen Mund hält. Die hat nämlich mit Interviews, in denen sie bestritt, dass der König ihr jemals zu nahe gekommen sei, das Ganze noch schlimmer gemacht.

Und so ist es dann passiert: Alle Malaisen des Königs, seine Operationen an Hüfte, Knie, Achillessehne, werden nun gern als Folge seines Sturzes während einer Luxuslustreise beschrieben, und dafür gibt es kein Mitleid. "Dabei wäre das alles doch die 1A-Gelegenheit gewesen, als Schmerzensmann die Zuneigung des Volkes wiederzuerlangen."

Mit der Elefantenaffäre wurde alles anders

Genau deshalb könnte er auch nicht zurücktreten, sagt der Adelsexperte. "Er will wieder Punkte in der Gunst seines Volkes machen." Jahrzehnte lang hatte die überwältigende Mehrheit der Spanier Juan Carlos als netten und modernen Bürgerkönig erlebt, der keine Berührungsängste hat und dessen Sportbegeisterung Millionen Spanier teilen. Dass er von Franco eingesetzt wurde, spielte kaum noch eine Rolle, nachdem er sich 1981 gegen putschende Obristen gestellt hatte.

Das Zeremoniell zu Hofe war viel schlichter als etwa in London, die Ehrengarde in ihren Uniformen aus den Kriegen gegen Napoleon sieht eher niedlich aus. Auch schien der Fall Urdangarin dem König zunächst nicht zu schaden, da der Schwiegersohn schnell aus dem Rampenlicht geschoben wurde. Bei öffentlichen Auftritten durfte der frühere Handballer nicht mehr dabei sein. Die letzten Fotos, die ihn auf der offiziellen Website des Königshauses zeigen, sind mehrere Jahre alt.

Mit der Elefantenaffäre wurde alles anders. Königin Sofía machte nach dem Unfall ihres Gatten dezent, aber klar deutlich, wie sehr sie dessen Eskapaden missbilligte: Erst am fünften Tag nach dem Rücktransport ihres Gatten aus Südafrika besuchte sie ihn im Krankenhaus, wie die Medien des ganzen Landes ausführlich kommentierten. Doch nun ist sie diejenige, die nach Meinung der Hofbeobachter streng Durchhalteparolen ausgibt.

Überhaupt hat sich ihre Rolle über die Jahre geändert. Früher wurde ihr ein Hang zur Sauertöpfigkeit nachgesagt, was kein Wunder ist bei den außerehelichen Aktivitäten ihres Gemahls, von denen ganz Madrid sprach, auch wenn bis vor zwei Jahren keine Zeitung darüber berichtete. Inzwischen ist sie den Umfragen zufolge das beliebteste Mitglied der Königsfamilie, vielleicht weil sie immer so diszipliniert daherkommt.

Steht nun die nächste Scheidung bevor?

Bei einem Cocktailempfang im Schloss lässt sie auch Charme erahnen, der ihren beiden Töchtern augenscheinlich fehlt. Elena, deren Ehe vor fünf Jahren in die Brüche ging, gilt als unnahbar, die Hofberichterstatter finden sie zudem fad. Dafür elektrisierte die Klatschblätter die Erklärung der Anwälte Cristinas, ihre Mandantin habe nichts von den Unregelmäßigkeiten in der Stiftung Nóos gewusst, allein der Ehemann sei dafür verantwortlich. Steht nun die nächste Scheidung bevor, die mit der endgültigen Verbannung Urdangarins aus der königlichen Familie verbunden wäre? Fragen, wie sie auch in einer Fernseh-Soap gestellt werden könnten. Die Casa Real könnte somit schon bald zum Teatro Real werden.

Unter dem Stichwort Nóos droht womöglich schon wieder Ungemach. Es hat zu tun mit der Verlobung des Thronfolgerpaares im Jahr 2003. Allerdings geht es diesmal nicht um den weißen Armani-Hosenzug, den Letizia damals trug, als wolle sie zeigen, wer in dieser Beziehung die Hosen anhat. Es geht um den Ring an ihrer manikürten Hand. Denn der wurde offenbar mit einer Kreditkarte der Stiftung bezahlt.

Mit dieser Nachricht wartete ausgerechnet das konservative Blatt El Mundo auf, das einst eine verlässliche Stütze der Monarchie war, aber nun ebenfalls einem überfälligen Reinigungsprozess in der Elite des Landes das Wort redet. Die Stiftung bekam bekanntlich öffentliche Gelder. Sollte also der Ring...? Der Adelsexperte im Café wagt es erst gar nicht, sich die Folgen auszumalen, und schüttet sich zum dritten Mal aus seiner Karaffe nach. Berufsbedingt ist er durch die vielen Empfänge in Adelskreisen abgehärtet: Er hält sich kerzengerade, seine Diktion ist scharf und elegant wie zuvor.

Die Berichterstatter diagnostizierten Magersucht

Vor noch nicht allzu langer Zeit freuten sich die meisten Spanier über den Aufstieg der aus kleinen Verhältnissen stammenden Fernsehmoderatorin Letizia Ortiz zur Frau des Thronfolgers. Doch bald war von ihrer fröhlichen Spontaneität nichts mehr zu spüren, sie wurde immer schmaler. Magersucht, diagnostizierten Berichterstatter, Fotos, auf denen sie lächelt, bekamen Seltenheitswert. Auf Empfängen wirkt sie lustlos, während ihr Mann Felipe als freundlicher und aufmerksamer Gesprächspartner Punkte macht. Er gilt mit seiner zurückgenommenen Art und der Bescheidenheit, die er sich angesichts der Krise auferlegt hat (die familieneigene Yacht wurde im Mai verkauft), als Hoffnungsträger.

So beschreibt ihn auch ein Vetter Letizias in einem jüngst veröffentlichten Buch mit dem Titel "Adieu, Prinzessin". Er beschuldigt sie der Hochnäsigkeit gegenüber ihren Verwandten; vor allem aber habe sie aus ihrer Zeit vor Felipe eine Abtreibung auf dem Gewissen. In dem Buch ist die Rechnung einer Madrider Klinik abgebildet. Der Hof hüllt sich in Schweigen, wie auch zu den Donjuanereien des Königs.

Hier sehen ein paar Adelsexperten den wahren Grund dafür, warum dieser es nicht der niederländischen Königin Beatrix und dem belgischen König Albert gleichtut, die zugunsten ihrer Söhne abgedankt haben: Im vergangenen Jahr hatte ein Madrider Gericht die Vaterschaftsklagen einer belgischen Hausfrau und eines Kellners aus Barcelona abgewiesen, die Halbgeschwister sind. Nach den Aussagen der Mütter hat beide Juan Carlos gezeugt, als er noch arbeitsloser Prinz war.

"Variante Wojtyla und nicht Ratzinger"

Das Gericht verwies auf die juristische Immunität des Staatsoberhauptes. Aber was wäre, wenn Juan Carlos abdankt. Verliert er die Immunität? Was würde es bedeuten, wenn er wirklich der Vater des Kellners wäre? Der Mann ist älter als Thronfolger Felipe - und in Spanien dürfen uneheliche Kinder nicht rechtlich benachteiligt werden.

El Mundo legte nun zum Thema Abdankung nach: Der König habe sich für die "Variante Wojtyla und nicht Ratzinger" entschieden, eine Anspielung darauf, dass sich der Verfall des polnischen Papstes Johannes Paul II. vor den Augen der ganzen Welt vollzog, wogegen sein deutscher Nachfolger Benedikt XVI. für seinen Rücktritt vom Amt Beifall in der ganzen Welt erhielt.

"Es ist alles zu viel auf einmal", sagt der Adelsexperte, schaut wehmütig erst zum Schloss und dann auf die leer getrunkene Karaffe. Denselben Satz sagt ein Mann in der kleinen Gruppe der Demonstranten, die regelmäßig unter der rot-gelb-violetten Fahne der Republik vor dem Opernhaus Entschädigung für die Opfer der Franco-Diktatur fordern. "Wir haben immer gegen die Monarchie gekämpft. Nun zerlegen die sie ganz ohne unser Zutun!"

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