Spanien:Doppeltes Unglück

Victor Barrio

Victor Barrio, hier bei einem Kampf im Jahr 2011, starb mit 29 Jahren.

(Foto: Daniel Ochoa de Olza/AP)

Nach 31 Jahren stirbt mit Victor Barrio erstmals wieder ein Torero in der Arena. Dabei war der 29-Jährige noch gewarnt worden, dass der Stier die Nummer 26 trug, zweimal 13, für doppeltes Unglück.

Von Thomas Urban, Madrid

Berühmt werden wollte Victor Barrio eigentlich als mutiger Matador in der Arena, der unerschrocken den wildesten Stieren mit einer kunstvollen Drehung seinen Degen von oben ins Herz sticht. Nun wurde er zur traurigen Berühmtheit: Der Stier Lorenzo, vier Jahre alt, 529 Kilogramm schwer und rasend wild, nahm ihn auf die Hörner und schleuderte ihn in die Luft. Ein Horn durchbohrte Barrios Brustkorb und schlitzte ihm das Herz auf. Exitus subitus, konstatierten die Ärzte, der Töter - so die wörtliche Übersetzung für "Matador" - war sofort tot.

Zeugen seines Todes am Samstag wurden nicht nur ein paar Hundert festlich gestimmte Zuschauer in der Arena von Teruel, einer Kleinstadt im Nordosten Spaniens, unter ihnen Barrios entsetzte Ehefrau. Der Tod des Toreros wurde auch vom Regionalfernsehen aufgenommen und von mehreren Dutzend Handybesitzern. So machten wacklige Bilder von der Attacke Lorenzos auf den Torero in kürzester Zeit ihre Runde durch die sozialen Netzwerke. Auch bekam Victor Barrio post mortem einen Namenseintrag in der spanischen Wikipedia, der den Moment seiner Niederlage nun auf ewig festschreibt. Er wurde 29 Jahre alt.

Er war somit noch nicht einmal geboren, als 1985 das letzte Mal ein Torero in der Arena sein Leben ließ. 1992 starben noch zwei Banderilleros, zwei jener Gehilfen des Matadors, die Kampfstieren mit Fähnchen geschmückte Spieße in den Rücken stechen sollen. Doch seither haben alle Matadore die Attacken der Stiere überlebt. Ob Banderilleros schuld an Barrios Tod seien, diskutierten am Wochenende Experten in den spanischen Medien, weil sie den Stier nicht genügend abgelenkt hätten. Andere befanden, Barrio habe Fehler gemacht.

Sein Kampf fand anlässlich eines traditionellen Stadtfestes mit dem passenden Namen "Jungkuh vom Engel" (Vaquilla del Ángel) statt. Nur war Lorenzo kein Jungstier, sondern eine hochgezüchtete Kampfmaschine. In ihren Analysen betonten die Experten, dass Lorenzo in dem Kampf die Nummer 26 getragen habe, die doppelte 13, also doppeltes Unglück. Selbst einige der ganz großen Toreros hätten schon Probleme mit der 26 gehabt. Victor Barrio sei vorgewarnt worden, aber er habe beweisen wollen, dass ihn nicht einmal die doppelte 13 schreckt.

Seinen Tod nahmen spanische Tierschützer sogleich zum Anlass, weitere Aktionen gegen die Stierkampflobby anzukündigen. Während die konservative Volkspartei (PP) davon träumt, den Stierkampf bei der Unesco als Weltkulturerbe schützen zu lassen, wollen andere Parteien die Corrida als Schlächterei verbieten lassen, allen voran die linksalternative Gruppierung Podemos. Auch der seit zwei Jahren amtierende König Felipe VI. verhehlt nicht, dass er im Gegensatz zu seinem Vater Juan Carlos dem Stiefkampf wenig abgewinnen kann. Wohl hat er einige Traditionstermine in den großen Arenen absolviert; die Öffentlichkeit aber hat wahrgenommen, dass Königin Letizia nicht dabei war. Die Regenbogenpresse will wissen, dass ihr schon das Wort Stierkampfkunst Magenschmerzen bereite, was das königliche Hofamt bislang weder dementiert noch bestätigt hat.

Auch ökonomisch befindet sich das Stierkampfbusiness auf Talfahrt. Nur acht Prozent der erwachsenen Spanier sollen je eine Corrida gesehen haben. Der Verband der Stierkampfkünstler veröffentlicht zwar Umfragen, dass die große Mehrheit der Spanier immerhin stolz auf diese große Kunst sei. Doch andere Umfragen zeigen eine heftige Abneigung der überwältigenden Mehrheit. Fest steht, dass die Zahl der Zuschauer im letzten Jahrzehnt um mehr als ein Drittel zurückgegangen ist.

Barrios Tod bedeutet auch einen Rückschlag für diejenigen, die die Corrida als leichte, formvollendete Kunst gegen den Vorwurf verteidigen, sie sei ein blutiges Spektakel. Erst im Januar hatte der Torero Francisco Rivera, der aus einer berühmten Stierkämpferdynastie stammt, diese spielerische Leichtigkeit demonstrieren wollen: In der Arena von Sevilla trug er bei einem Kampf gegen eine Jungkuh, einer kleinen Schaueinlage zum Warmwerden, seine fünf Monate alte Tochter auf dem Arm. Doch die Aktion brachte nicht nur Tierschützer, sondern auch den Kinderschutzbund gegen Rivera auf. Das Jugendamt untersucht nun, ob dem Torero und seiner Frau, die das Spektakel zugelassen hat, die Erziehungsberechtigung entzogen werden soll. Victor Barrio wäre wohl nicht auf eine solche Idee gekommen, denn er hielt die Tradition heilig. Jedenfalls steht es so in den Nachrufen.

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