"Space Out"-Wettbewerb:Geistesabwesend in die Luft starren ist jetzt ein Sport

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Je niedriger der Puls, desto mehr Punkte: Teilnehmer der Entspannungs-Meisterschaft (2016, in Seoul).

(Foto: AFP/Getty Images)

Woops Yang aus Korea hat einen Entspannungs-Wettbewerb erfunden, um zur Ruhe zu kommen. Und hat nun mehr zu tun als je zuvor.

Interview von Kai Strittmatter

Geistesabwesend in die Luft starren, das ist jetzt auch Sport. In Taipeh findet am Sonntag der 5. Internationale Wettbewerb in der Disziplin statt. Woops Yang ist die Erfinderin des "Space Out"-Wettbewerbs.

SZ: Wie kamen Sie auf die Idee?

Woops Yang: Die Idee kam mir 2014. Ich hatte viel gearbeitet und hatte einen Burnout. Vielleicht wissen Sie, dass es in Korea dazugehört, bis zur Erschöpfung zu arbeiten. Ich versuchte, zur Ruhe zu kommen, aber es gelang mir einfach nicht. Ich hatte Angst. Also wollte ich irgendetwas tun, das mich selbst zwang, nichts zu tun.

Sie hatten Angst?

Ich dachte: Ich kann doch nicht einfach nichts tun, während um mich herum alle anderen weiterarbeiten. Ich hätte mich ausgeschlossen und abgehängt gefühlt. Dann dachte ich: Warum hole ich nicht die anderen Leute zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort, und lasse sie dann alle gemeinsam nichts tun?

Wie sind denn die Regeln?

Es gibt Noten wie beim Eiskunstlauf: eine für die künstlerische Leistung und eine für die technische. Beim Künstlerischen wird etwa der Gesichtsausdruck beurteilt. Und alle 15 Minuten messen wir den Herzschlag der Teilnehmer. Je entspannter, umso mehr Punkte. Schlafen ist nicht erlaubt, lachen auch nicht. Man muss geistig wegtreten. Es ist gar nicht so einfach.

Wieso muss man dazu überhaupt gegeneinander antreten?

Wir alle sind erschöpft, wir alle sind zu geschäftig, das ist ein universales Problem in unserer durchkapitalisierten Welt. Meine Teilnehmer haben die Ruhe alle dringend nötig. Und was wir hier machen, ist eine bizarre Kombination: Nichtstun als Wettbewerb. Das Nichtstun ist ja von seinem Wesen her zu nichts nütze. Aber mit dem Wettbewerb verleihe ich ihm einen Sinn.

Aber damit machen Sie Ihren Wettbewerb doch selbst zum Teil des Systems.

Na ja, wir nehmen uns nicht allzu ernst. Das Ganze soll auch ein Spaß sein. Ein Kunstprojekt. Und der Preis für den Gewinner ist ganz billig. Eine kleine Skulptur aus Gips: "Der Denker" von Rodin.

Wie viele Leute machen denn mit?

Hier in Taipeh werden es 80 sein. Ich habe sie ausgewählt aus mehr als 800 Bewerbern. Polizisten sind dabei, Feuerwehrleute, Köche, Lehrer, ein Querschnitt der Gesellschaft. Und ich bitte jeden, in seiner Berufskleidung zu kommen.

Woops Yang

Woops Yang, Erfinderin und Kampfrichterin des "Space Out"-Wettbewerbs.

Haben Sie selbst mal teilgenommen?

Nein, ich bin ja die Kampfrichterin. Die einzige. Weil nur ich beurteilen kann, worauf es ankommt. Wissen Sie, der Witz ist: Seit ich die Sache erfunden habe, habe ich mehr zu tun als je zuvor. Wir waren mit dem Wettbewerb schon in Seoul, in Peking und in Rotterdam. Wir haben Sponsoren. Als Künstlerin macht mich das glücklich, es hat mir Türen geöffnet.

Wann haben Sie das denn das letzte Mal für sich gemacht, 90 Minuten in die Luft gestarrt?

Soll ich ehrlich sein? Noch nie. Ich beneide die Teilnehmer.

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