Songcontest-Vorentscheid in der Kritik:"Einer muss ja auch Letzter werden"

Ganze vier Punkte, letzter Platz. Mittlerweile fangen auch die Verantwortlichen in Deutschland an zu grübeln, wie man die Qualität steigern kann.

Es war die Nacht, in der Liedtitel wahr wurden. Nicht nur, dass die Griechin Helena Paparizou beim Eurovision Song Contest in Kiew mit ihrem Diskoknaller "My Number One" am Ende wirklich den ersten Platz errang.

Songcontest-Vorentscheid in der Kritik: Siegerlächeln auf griechisch: Helena Paparizou. Während die Griechen feiern, fangen die Deutschen mit den Diskussionen an.

Siegerlächeln auf griechisch: Helena Paparizou. Während die Griechen feiern, fangen die Deutschen mit den Diskussionen an.

(Foto: Foto: ddp)

Auch Gracia war nach dem Debakel mit ihrem Song "Run & Hide" ersteinmal wohl nur nach Wegrennen und Verstecken zu Mute: Gerade einmal vier Punkte erhielt Deutschland - und landete bei der europaweiten Telefon- und SMS-Abstimmung abgeschlagen auf dem allerletzten Platz. Es war das schlechteste Ergebnis seit zehn Jahren; bei deutschen Fans und Verantwortlichen herrschte am Sonntag Katzenjammer.

Bei aller Kritik an ihrem etwas nervösen Auftritt beim Finale, eines musste man Gracia lassen: Obwohl eigentlich wohl nach einem Mauseloch suchend, stellte sie sich nur eine halbe Stunde nach der Blamage mutig den Fragen von Fans und Journalisten - nur wenige Meter neben den feiernden Griechen, die auf ihre das Publikum mit goldenen Glitzerkleidchen und perfekt einstudierter Choreographie überzeugende Siegerin warteten.

Natürlich sei sie "nicht superglücklich" über ihr Abschneiden, sagte Gracia in der Kälte der Nacht und flüchtete sich in Küchenphilosophie: "Es konnte nur einer Erster werden, und einer muss ja auch Letzter werden." Sie und ihre Band hätten auf jeden Fall alles gegeben, beteuerte die 22-jährige ehemalige "Superstar"-Teilnehmerin.

"Ich fahre stolz nach Hause, weil ich eine gute Show gemacht habe." Vorher aber stürzte sich Gracia in Kiew ersteinmal noch in die knallige Aftershow-Party. Doch obwohl sie sich alle Mühe gab abzuschalten: Ihrem Gesicht war auch an der Bar anzusehen, dass sie ihr Fiasko vorerst wohl nicht vergessen wird.

Auch NDR-Eurovision-Chef Jürgen Meier-Beer hatte schwer am deutschen Ergebnis zu knabbern, auch wenn er Gracia ausdrücklich in Schutz nahm. Letztlich hätte jeder andere der beim deutschen Vorentscheid angetretenen Kandidaten wohl auch kein besseres Ergebnis eingefahren, betonte "Mister Eurovision" und schob die Verantwortung der Musikwirtschaft zu. Diese habe für den Vorentscheid einfach nicht die richtigen Künstler ins Rennen geschickt.

Überhaupt der deutsche Vorausscheid: Diesen wird es 2006 vielleicht gar nicht mehr geben. Schon nach den schlechten Einschaltquoten bei der Qualifikationsrunde im März hatte Meier-Beer über das Abschaffen nachgedacht. Nach dem Debakel von Kiew spricht er für einen ARD-Angestellten relativ klare Worte: "Der Vorentscheid ist nicht zwingend."

Offenbar bringe dieser Modus nicht mehr den erwünschten Erfolg auf internationaler Ebene, konstatiert der Eurovision-Profi. Er kenne selbst einige namhafte Künstler, die sagten: "Ich würde ja zum europäischen Finale fahren - den Vorentscheid aber tue ich mir nicht an."

Die Konsequenz liegt auf der Hand: "Wenn wir ohne Vorentscheid interessantere Künstler ins Finale schicken können, dann müssen wir das künftig machen", sagt Meier-Beer. Dabei sei vor allem die deutsche Musikwirtschaft gefragt. Sie müsse Vorschläge machen, wie Deutschland beim Eurovision Song Contest besser vertreten werden könne. Beispielsweise könnte der Phonoverband einen Kandidaten präsentieren, meint der NDR-Verantwortliche.

Auf jeden Fall dürften die Plattenlabels nicht mehr aus Angst vor einer Niederlage beim Vorausscheid ihre besten Leute vom Eurovision Song Contest fernhalten.

Wie auch immer der deutsche Beitrag letztlich 2006 gewählt wird, die Teilnahme am großen Finale in Griechenland ist sicher. Dabei profitiert Deutschland von einer mit vielen Gebührengeldern finanzierten Sonderregelung, nach der die vier finanzstärksten Länder immer automatisch beim Finale dabei sind.

Genau diese großen Länder - neben Deutschland noch Frankreich, Großbritannien und Spanien - belegten übrigens in Kiew die letzten vier Plätze. Für Ivor Lyttle von der europäischen Fanzeitschrift EuroSong News ist das kein Wunder: "Die sind durch ihr Geld immer qualifiziert, die strengen sich nicht an."

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