Sommerloch 1967:Die Republik sieht bunt

Bunt geschminkt, schwarzweiß fotografiert: ein Hippie-Mädchen im Jahre 1967

Bunt geschminkt, schwarzweiß fotografiert: ein Hippie-Mädchen im Jahre 1967

(Foto: Foto: AP)

Die USA feiern den Sommer der Liebe, in Europa geht es robuster zu: In England pocht John Lennon auf das Recht zu kiffen. Und eine 17-jährige Schwedin beraubt eine Rentnerin - um zu heiraten.

Johannes Kuhn

Eine Generation ist auf der Suche nach sich selbst - und findet dabei erst einmal Liebe und Drogen. 1967 machen sich Hunderttausende junger Menschen auf, um den Sommer der Liebe zu erleben. San Francisco, das Zentrum der Bewegung, duftet nach Blumenkränzen und verbotenen Stoffen, die geraucht werden. "If you're going to San Francisco..."

Und doch - mitten in der Party des Jahrzehnts sind manche Konventionen doch noch nicht ganz abgestreift. "Anstatt schöner Visionen", erklärt die junge Joan dem verdutzten SZ-Korrespondenten, "hätte ich lieber schöne Kinder."

Und Deutschland? Hat die Studentenproteste und den Teufel, Vorname Fritz. Der Gründer der Kommune 1 in Berlin steht wegen eines vermeintlichen Steinwurfs bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien vor Gericht. Er wird freigesprochen, seine Fans feiern ihn mit Abzählreimen ("1,2,3, der Teufel ist frei"), er selbst schmeißt eine Party in der Berliner WG.

Als Willy Brandt das Fernsehen farbig machte

Das wiederum wird beinahe einem Rentner zum Verhängnis: Als ein 72-Jähriger in den frühen Morgenstunden am Haus der Kommune vorbeiläuft, trifft ihn ein aus dem Fenster geworfenes Radio - zum Glück nur am Fuß. Einige Wochen später ist Fritz Teufel wieder in den Schlagzeilen: Er versucht, durch Verstoß gegen die Meldeauflagen wieder ins Gefängnis zu kommen, scheitert aber.

Die Republik sieht bunt - ab dem 25. August: Außenminister Willy Brandt gibt unter dem Berliner Funkturm das Startsignal für das Farbfernsehen. Die TV-Welt kann allerdings nur von denjenigen in Farbe genossen werden, die sich Apparate für mindestens 1500 Mark leisten können.

Das Kiffen ist zwar billiger, aber nicht erlaubt - was anno '67 manchen erzürnt. "Das Verbot von Marihuana ist im Prinzip unmoralisch und in der Praxis unanwendbar", so steht es in der Londoner Times zu lesen. 64 Namen sind da zu lesen, darunter Pilzkopf John Lennon, der Schriftsteller Graham Greene, der Beatles-Produzent Brian Epstein. Außerdem zwei Labour-Abgeordnete, einige Ärzte und sogar ein englischer Pfarrer.

Im "Sommer der Liebe" darf das "Liebesverbrechen des Sommers" nicht fehlen: So raubt eine 17-jährige Schwedin eine 64-jährige Berliner Rentnerin aus. Sie plant nach eigenen Angaben, mit dem Geld des Opfers ihre Hochzeit mit einem 21-Jährigen zu bezahlen. So stark wie die Liebe vernebelt eben keine Droge das Hirn.

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