Sommerloch 1993:Die Mallorca-Idee: Palma wurde Palmenhausen

Der Höhepunkt der Sommerloch-Stories war 1993 erreicht: Mallorca sollte 17. Bundesland werden! Das jedenfalls verbreitete Bild mit Bezug auf einen CSU-Hinterbänkler.

Johannes Honsell

Der Sommer 1993 bedeutete einen Durchbruch in Sachen Sommerloch. Endlich ergriff ein Politiker aus der zweiten Reihe die Chance der Saure-Gurken-Zeit und belieferte Deutschlands Ruhm-Vehikel Nummer eins mit der idiotischsten Geschichte des Jahrhunderts. Die daraus resultierende Bild-Schlagzeile sei hier aus ästhetischen Gründen in voller Länge zitiert: "Verrücktester Vorschlag aus Bonn - Mallorca soll deutsch werden. Erbpacht auf 99 Jahre. Palma heißt dann Palmenhausen."

Ein paar Flaschen Bier, Sonne und abends Party: ein Deutscher Tourist schlummert im Sand des "Ballermanns" auf Mallorca

Ein paar Flaschen Bier, Sonne und abends Party: ein deutscher Tourist schlummert im Sand des "Ballermanns" auf Mallorca.

(Foto: Foto: AFP)

Ach ja, seufzt da wehmütig der Sommerloch-Connaisseur, die Sache mit dem 17. Bundesland. 50 Milliarden Mark Kaufpreis wurden kolportiert, die Nachfolgegeschichten der Hinterbänkler-Affäre standen auch bei Bild: "Spaniens König greift ein", und: "Spaniens Botschafter protestiert". Aus Mallorca riefen die Deutschen an und erkundigten sich nach den genauen Kaufmodalitäten. In England entsetzte man sich über den möglichen Verlust großer Handtuch-Areale im Balearen-Raum.

Der dementierte Witz

Und wer war schuld an der Ente? Zunächst natürlich die Bild-Zeitung. Dann war da aber auch der Bundestagsabgeordnete Dionys Jobst von der CSU. Der lustige Oberpfälzer, ohnehin gut mit Boulevardreportern vernetzt, hatte eine "lustige Unterhaltung mit einem Bild-Journalisten über alles Mögliche", erzählte Jobst - aus dem Gespräch entstand dann die folgenschwere Schlagzeile. "Es war ein Witz", behauptete Dionys, offenbar ganz im Geiste seines antiken Namensvetters.

"Das ist kein Witz", schrieb dagegen Bild extra in ihren Text, auch wenn der damalige Vizechefredakteur Kai Diekmann den Ernst der Geschichte später dementierte. So oder so: Das Sommerloch war bis zum Rand voll mit Bild-Sauce, Deutschland diskutierte über Mallorca und Spanien über Deutschland, der oberpfälzische Abgeordnete Jobst war für kurze Zeit berühmt und dann wieder lange nicht.

Schöne Hohl-Meldungen

Dabei könnte man es bewenden lassen. Aber dann würde man all die anderen schönen Hohl-Meldungen außen vor lassen, die 1993 zu einem ganz besonderen Jahrgang machten. Sogar der Spiegel beschrieb bass erstaunt den "Leistungszenit im Sommerloch": Andre Agassi sei Bettnässer, Boris Becker bald Vater, Porno-Queen Cicciolina masturbiere mit Blättern des Gingko-Baumes. Und der Papst habe sich beim Wandern in den Dolomiten hinter einem Busch erleichtert, und so der Spiegel, "dem Begriff vom Heiligen Stuhl eine gänzlich neue Bedeutung gegeben".

Und was war sonst so? Nicht viel. Wolfgang Grams und ein GSG-9-Beamter starben an den Gleisen von Bad Kleinen. Der Bundestag beschloss die Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Somalia. Außerdem verschärfte er das Asylrecht drastisch.

Das war für einige Deutsche von Interesse - aber was war das alles im Vergleich zur Sommerspekulation des Jahres, ja des Jahrhunderts. Mallorca als 17. Bundesland! Palma gleich Palmenhausen!

Am Ballermann richteten sie die Strohhalme in die Sangria-Eimer.

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