"Slender Man"-Fall in Wisconsin:13-Jährigen drohen wegen Mordversuchs 65 Jahre Haft

  • In Wisconsin beginnt am 21. August der Prozess gegen zwei 13-jährige Mädchen, denen versuchter Mord an einer Klassenkameradin vorgeworfen wird.
  • Die Mädchen haben die Tat gestanden. Sie sagen, sie hätten auf Befehl der Internet-Figur "Slender Man" gehandelt.
  • Entgegen der Einschätzung zahlreicher Experten hat das zuständige Bezirksgericht nun entschieden, dass der Fall vor einem regulären Gericht verhandelt werden soll.
  • Den Mädchen drohen daher bis zu 65 Jahre Haft.

Morden für "Slender Man"

Slender Man - um diese Figur rankt sich der grausige Vorfall, der gerade im US-Bundesstaat Wisconsin verhandelt wird. Der unnatürlich große, schlanke Mann ohne Gesicht ist Protagonist zahlreicher Horrorgeschichten, Videos und Lieder. Er ist eine Netz-Figur, die vor ein paar Jahren durch einen Fotowettbewerb entstand und deren Geschichte von zahlreichen Nutzern immer neu variiert und weitergesponnen wird.

Im Frühjahr vergangenen Jahres ist eine dieser Geschichten traurige Realität geworden. Zwei Mädchen versuchten, im Städtchen Waukesha im Südosten Wisconsins ihre Mitschülerin zu töten. Mehrere Monate lang heckten sie gemeinsam ihren Mordplan aus. Am 31. Mai 2014 lud Morgan G. schließlich ihre Freundinnen Anissa W. und Peyton L. zu einer Übernachtungsparty anlässlich ihres 12. Geburtstages ein. Doch statt zusammen zu feiern, lockten G. und W. das dritte Mädchen in einen Wald, stachen dort 19 Mal mit einem Messer auf ihr Opfer ein - und ließen es blutend zurück.

Peyton L. konnte sich an eine nahe Straße schleppen, wo sie von einem Fahrradfahrer entdeckt und ins Krankenhaus gebracht wurde. Sie überlebte und konnte schon nach wenigen Wochen wieder am Unterricht teilnehmen.

Sie hätten es für Slender Man getan, sagten die beiden anderen Mädchen nach ihrer Festnahme der Polizei. Wenn sie nicht selbst versucht hätten, einen Mord zu begehen, hätte er sie und ihre Familien getötet. Außerdem wollten sie durch die Tat in seine "Gefolgschaft" aufgenommen werden.

Richter entscheidet sich gegen Jugendstrafrecht

Seit ihrer Festnahme geht es nun darum, ob Morgan G. und Anissa W. nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. An diesem Dienstag hat das Bezirksgericht in Waukesha entschieden, dass die Mädchen als Erwachsene behandelt werden sollen. Die Überstellung des Falles an ein Jugendgericht würde die "Schwere der Tat auf unangemessene Weise herabmildern", begründete Richter Michael Bohren seine Entscheidung.

Er ging damit nicht auf die Forderungen der Verteidiger ein - genauso wenig auf die Empfehlungen von Experten. Die Mädchen sitzen seit der Tat in einer Jugendhaftanstalt, wo sie von Psychologen betreut und beobachtet werden. W. wurde dort eine wahnhafte Störung attestiert, die sie an die reale Existenz des Slender Man habe glauben lassen. Sie habe ihren Fehler aber mittlerweile erkannt und bereue ihr Verhalten zutiefst. Bei G. fanden die Psychologen Anzeichen einer beginnenden Schizophrenie. Sie glaube noch immer, von Slender Man beobachtet zu werden und unterhalte sich außerdem mit Lord Voldemort, dem dunklen Lord aus Harry Potter.

Für beide sei eine intensive Betreuung in den kommenden Jahren wichtig - und die könne weitaus besser gewährleistet werden, wenn sie zu einer Jugendstrafe verurteilt würden, sagten mehrere Experten übereinstimmend vor Gericht. Die Verteidiger führten an, dass für ein Kind von 13 Jahren schon drei Jahre Haft eine enorme Zeitspanne seien - bezogen auf die bisherige Lebensdauer.

Der Richter entschied sich dennoch für eine Verhandlung vor einem regulären Gericht. Wenn am 21. August mit der Verlesung der Anklage der Prozess gegen die beiden Mädchen offiziell beginnt, müssen sie daher mit einer Haftstrafe von bis zu 65 Jahren rechnen.

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