Skiunfall des Dieter Althaus:Und jetzt auch noch Geisterfahrer

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Über den Unfall des Politikers Althaus wird viel spekuliert. Ein Blick in die Ski-Regeln relativiert manches - auch den Ruf nach einer Helmpflicht.

Birgit Lutz-Temsch

Der Skiunfall des thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus auf der steirischen Riesneralm ist nur ein Beispiel dafür, wie schnell im Bergsport scheinbar harmlose Situationen gefährlich werden können. Eben noch fuhren zwei Menschen im Sonnenschein bei gutem Schnee nahezu leere Pisten hinunter und freuten sich an der Bewegung. Sekunden später ist einer der beiden tot und der andere schwer verletzt.

Eine Kerze erinnert an den Unfall vom Neujahrstag, bei dem eine Skifahrerin ums Leben kam. (Foto: Foto: AP)

Warum genau, weiß in diesem Fall bislang niemand. Erst in vier bis sechs Wochen werden abschließende Gutachten vorliegen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft im steirischen Leoben. Der CDU-Politiker Althaus selbst kann sich, wie die Ärzte mitteilten, nicht an den Unfall erinnern. Und erst am Montag, also vier Tage nach der folgenschweren Kollision der beiden Skifahrer wurde bekannt, dass es wohl doch einen Zeugen gibt. Zur Identität des Zeugen und zum Inhalt seiner Aussage machte die Staatsanwaltschaft noch keine Angaben, es stehe aber fest, dass der Mann den Zusammenstoß beobachtet hat.

Damit könnte er den Vermutungen um den Unfallhergang nun ein Ende setzen. Denn die wenigen bekannten Fakten und der Umstand, dass es sich bei dem Verletzten um einen Politiker handelt, hatten in den vergangenen Tagen vorhersehbare Folgen: Zum einen wird über den Vorfall weit mehr berichtet, als wenn zwei unbekannte Menschen kollidiert wären. Dass dies die traurige Medienrealität ist, beweist auch, dass sich für die zu Tode gekommene Mutter von vier Kindern bislang kaum jemand interessiert hat.

Nur der Unfallort ist bekannt

Zum anderen schießen die Vermutungen darüber, wie der Unfall nun passiert ist, ins Kraut, in der Bild wurde Althaus mit Verweis auf den Spiegel als eine Art "Geisterfahrer" genannt. Und zu guter Letzt wird nun wie jedes Jahr über die Sicherheit auf den Skipisten diskutiert.

Doch die dürftige Faktenlage hat sich seit den ersten Meldungen nur wenig verändert. Die 41-jährige slowakische Skifahrerin ist tot, Althaus, der mit schweren Kopfverletzungen in die Klinik Schwarzach eingeliefert wurde, befindet sich auf dem Weg der Besserung. Gegen ihn wird mittlerweile wegen fahrlässiger Tötung ermittelt; das ist Routine nach einem solchen Unfall.

Vom Unfallhergang selbst ist weiterhin nur eines gesichert bekannt: der Ort der Kollision. Des Weiteren steht fest, dass Althaus auf einem Hang unterwegs war, der nach der gängigen dreistufigen Kategorisierung als rot, also mittelschwer gekennzeichnet ist. Diese Piste vereint sich in ihrem Verlauf mit einer von links kommenden blauen, also leichteren Piste. Der Ort der Kollision nun liegt ein Stückchen oberhalb dieser Einmündung auf der blauen Piste. So weit die Fakten.

Dass einzelne Pisten aufeinandertreffen und dann vereint weiter den Berg hinabführen, ist üblich. In jedem Skigebiet stellen solche Vereinigungen besondere Gefahrenpunkte dar und erfordern von jedem einzelnen Skifahrer erhöhte Aufmerksamkeit - aber grundsätzlich kann ein Skifahrer an einer solchen Stelle fahren, wohin er will. Laut den Regeln des Internationalen Skiverbands (FIS) gibt es keine Geisterfahrer, denn auch hangaufwärts fahren ist erlaubt.

Erste Regel: Sorgfalt

Nummer 5 der FIS-Regeln beschäftigt sich mit dem "Einfahren und Anfahren und hangaufwärts Fahren" und besagt: "Jeder Skifahrer und Snowboarder, der in eine Skiabfahrt einfahren, nach einem Halt wieder anfahren oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann." Allem Anschein nach ist Althaus ein Stück hangaufwärts gefahren und hat damit also noch nichts Regelwidriges getan.

Sollte sich aber herausstellen, dass er dies mit hoher Geschwindigkeit und ohne die angemessene Sorgfalt getan hat, dann hat er sehr wohl gegen Regeln verstoßen, und nicht nur gegen die fünfte. Denn ausnahmslos alle FIS-Regeln mahnen Ski- und Snowboardfahrer zu Vorsicht und Umsicht.

Das gilt auch für die tödlich Verunglückte, denn natürlich befand auch sie sich in der Nähe des Gefahrenpunkts. Es ist bislang nicht bekannt, ob die Skifahrerin stand oder fuhr. Nach den FIS-Regeln hat es jeder Ski- und Snowboardfahrer zu vermeiden, "sich ohne Not an engen oder unübersichtlichen Stellen einer Abfahrt aufzuhalten" - doch der Kollisionsort ist weder eng noch unübersichtlich.

Trügerische Sicherheit

Eine weitere Folge des aufsehenerregenden Unfalls ist nun der immer lauter werdende Ruf nach einer Helmpflicht auf den Pisten. Ohne Frage schützen Helme im Kollisionsfall - im Fall Althaus hat der Helm dem Politiker wohl das Leben gerettet. Die Verstorbene trug keinen.

Es ist auf den Pisten jedoch oftmals zu beobachten, dass es sich gerade bei Fahrern mit Helm um risikobereitere, schnelle Fahrer handelt. Helme und sonstige Schutzkleidung scheinen teils den Effekt zu haben, dass sich der Fahrer sicherer wähnt und sich selbst deshalb einen breiteren Handlungsspielraum erlaubt. Im Bergsport allgemein gibt es die Tendenz, mittels einer ausgefeilten technischen Ausrüstung fehlende Erfahrung, Sorgfalt und Können kompensieren zu wollen.

Ob mit einer Helmpflicht, wie sie jetzt österreichische Politiker oder der deutsche Ex-Profi und zweifache Alpin-Olympiasieger Markus Wasmeier fordern, die Sicherheit auf den Pisten erhöht werden kann, ist deshalb fraglich. Ob vermehrte Appelle an die Vernunft der einzelnen Fahrer und mehr Werben für verantwortungsvolles Fahren sinnvoller wäre, ist ebenso fraglich.

Denn mit der ersten FIS-Regel wäre eigentlich alles gesagt: "Jeder Skifahrer und Snowboardfahrer muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt." Nur diese einzige Regel zu befolgen, würde oftmals verhindern, dass aus einem fröhlichen Skiausflug von einer Sekunde auf die andere ein schwarzer Tag wird.

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