Skandal um minderwertige Brustimplantate weitet sich aus:Weiterer Hersteller hat gefährliches Billig-Silikon verarbeitet

Nicht nur Frauen mit Brustimplantaten des französischen Herstellers PIP tragen ein potentielles Gesundheitsrisiko im Körper: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat jetzt auch eine Warnung für Silikonkissen eines deutschen Unternehmens herausgegeben. Demnach wurde in den "Tibreeze"-Implantanten der GfE Medizintechnik GmbH PIP-Silikon verwendet.

Bis zu 500.000 Frauen weltweit sollen mit minderwertigem Industriesilikon gefüllte Brustimplantate eingesetzt worden sein. Diese ohnehin schon erschreckende Zahl muss nun nach oben korrigiert werden: Denn auch ein deutscher Hersteller hat bei seinen Kissen Silikon der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) verwendet. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt deshalb vor "Tibreeze"-Brustimplantaten der früheren GfE Medizintechnik GmbH.

Weitere gerissene Brustimplantate gemeldet

Die Implantate des französischen Herstellers PIP reißen überdurchschnittlich oft und stehen in Verdacht, Silikon in den Körper "auszuschwitzen".

(Foto: dpa)

In einer Information vom 26. Januar wird Frauen mit den Tibreeze-Kissen empfohlen, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. In den Kissen ist demnach das umstrittene PIP-Silikongel verarbeitet, die Beschichtung erfolgte hingegen durch die GfE. Die betreffenden Implantate waren dem BfArM zufolge ein knappes Jahr - von September 2003 bis August 2004 - auf dem Markt.

Geringeres Risiko durch Beschichtung bei Tibreeze-Implantaten?

Ende vergangenen Jahres war publik geworden, dass PIP aus Gründen der Kostenersparnis in seinen Brustimplantaten jahrelang minderwertiges Industriesilikon verarbeitet hatte, das beispielsweise bei der Herstellung von Matratzen zum Einsatz kommt. Das Unternehmen ging bereits 2010 in Konkurs, nachdem ihm Vermarktung, Vertrieb und weitere Verwendung der Silikonkissen untersagt worden waren. Am Donnerstag war Unternehmensgründer Jean-Claude Mas vorübergehend festgenommen, aber gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Gegen ihn wird wegen schweren Betrugs und fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.

Weltweit tragen Hunderttausende Frauen die mit Billigsilikon gefüllten Prothesen, in Deutschland sollen es etwa 10.000 sein. Die Silikonkissen reißen überdurchschnittlich oft. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die PIP-Implantate verstärkt "ausschwitzen" und damit Silikon durch die Hülle hindurch in den Körper abgeben.

Die PFM Medical Titanium GmbH als Rechtsnachfolgerin der GfE Medizintechnik GmbH teilte mit, es gebe derzeit "keine gesicherten Erkenntnisse" darüber, ob die damals bezogenen PIP-Implantate ebenfalls mit dem Billig-Silikon befüllt wurden. Bei insgesamt 728 in Verkehr gebrachten Tibreeze-Implantaten seien bislang nur in zwei Fällen Risse gemeldet worden. Zudem gebe es wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür, dass die Titanschicht der Kissen ein "Ausschwitzen" des Silikons um 40 Prozent reduziere - und damit auch das Risiko der Frauen. Vorsichtshalber sollten die betroffenen Patientinnen jedoch von ihrem Arzt informiert werden.

Dem Pressesprecher der BfArM zufolge sind solche Aussagen derzeit jedoch mit Vorsicht zu betrachten: "Ein Risko für Frauen mit Tibreeze-Implantaten kann beim jetzigen Erkenntnisstand nicht komplett ausgeschlossen werden", sagte Maik Pommer auf Nachfage von Süddeutsche.de. Deshalb sei auch eine Warnung an die betroffenen Frauen herausgegeben worden.

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