Skandal im britischen Königshaus:Die Lizenz zum Schummeln

Prinz Harry soll mit Billigung der Schulleitung beim Kunstexamen in Eton gemogelt haben, Tonbandaufnahmen sollen das jetzt beweisen.

Von Christoph Schwennicke

Wenn die Erinnerungen an diese Zeit nicht trügen, dann war das mit dem Schummeln und Spicken in der Schule doch so: Alles war erlaubt, bloß erwischen lassen durfte man sich nicht.

Skandal im britischen Königshaus: Zwei Bilder, die der Prinz in Eton gemalt hat. Schummeln soll er trotzdem nötig gehabt haben.

Zwei Bilder, die der Prinz in Eton gemalt hat. Schummeln soll er trotzdem nötig gehabt haben.

(Foto: Foto: dpa)

Lineale waren mit kleinsten Zetteln beklebt, die mit nadelfeinem Bleistift bekritzelt waren; andere rollten Zettelwürste und stopften sie in Kuli-Hüllen. Beliebt auch der Gang auf die Toilette, wo die Spickmappe bereit lag. Heiß und kalt rieselte es einem dann bei jedem Kontrollgang des Lehrers durch die Stuhlreihen das Rückgrat hinab.

Die Kunstlehrerin petzt!

Bei unsereins war das so und ist wohl auch noch so, nicht zwingend aber bei Hochwohlgeboren, jedenfalls wenn stimmen sollte, dass der britische Prinz Harry im renommierten Eton College mit oberster Billigung, ja nachgerade auf Anweisung der Schulleitung, die Lizenz zum Schummeln hatte.

Das jedenfalls behauptet seine ehemalige Kunstlehrerin, die eine nach ihrer Darstellung seit zwei Jahren währende Praxis mit dem Höfling nicht mehr hinnehmen wollte.

In einem ohne sein Wissen mit einem Tonband aufgezeichneten Gespräch kurz vor der Prüfung soll Prinz Harry der Lehrerin Sarah Forsyth, 30, eingestanden haben, "nur einen winzigen Teil" seiner Abschlussarbeit in Kunst selbst geschrieben zu haben: "Von mir selbst war ungefähr ein Satz."

Causa Dirty Harry

Die Sache hat den Klassenraum längst verlassen und den Gerichtssaal von Reading südwestlich von London erreicht, wo die Causa von Dirty Harry nunmehr verhandelt wird. Aufgezeichnet worden sei das Gespräch von Harrys ehemaliger Lehrerin Forsyth, die nach eigener Aussage von der Schulleitung angewiesen wurde, dem Prinzen die Antworten für die Kunstprüfung zu überlassen.

Es geht hier sicherlich um mehr als nur um Schummeln und Schiebung. Die Lehrerin fühlt sich als Opfer einer Verschwörung, schlägt zurück, und trifft dabei die Schulleitung des vornehmen Hauses, aber eben auch die königliche Familie. Die Lehrerin wurde im Juni 2003 entlassen und klagt jetzt gegen die Eliteschule wegen ungerechtfertigter Kündigung und sexueller Belästigung.

Die Verhandlung hatte an diesem Montag begonnen. Der Anwalt der Lehrerin, Robin Allen, sagte, seine Mandantin habe sich zu dem heimlichen Mitschnitt des Gesprächs gezwungen gesehen. Sie habe von dem Prinzen selbst einen Beweis darüber benötigt, dass seine Abschlussarbeit in Wahrheit größtenteils von der Lehrerin geschrieben worden sei.

"Unglaublich Unfair"

Bereits seit dem Frühjahr 2002 sei die Pädagogin vom Leiter der Fachrichtung Kunst angewiesen worden, an der Abschlussarbeit von Prinz Harry zu arbeiten, so erklärte sie vor Gericht. Weil ihr Widerspruch aber stets ignoriert worden sei, habe sie sich zu der Aufnahme entschlossen.

Öffentlich geworden sind die Vorwürfe am vergangenen Sonntag mit einem Bericht der Zeitung News of the World. Sowohl das britische Königshaus als auch die Schulleitung und ihr Anwalt haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Paddy Harverson, Kommunikationschef des Prinzen von Wales, nannte die Betrugsvorwürfe "unglaublich unfair".

Die Beschuldigungen seien von unabhängiger Seite untersucht und für unbegründet befunden worden. Die vehemente Reaktion des Königshauses zeigte Erfolg, denn die mit ihren Royals ansonsten nicht gerade zimperlich umspringende britische Boulevardpresse hielt sich am Freitag zurück und schrieb sogar von "wilden Behauptungen" der ehemaligen Lehrerin.

Lieblingsroyal der Medien

Harry, der gerade 20 Jahre alt geworden ist und bald die Militärakademie in Sandhurst besuchen wird, hat sich inzwischen ohnehin zum Lieblings-Royal der Medien entwickelt. Seine jugendlich-nächtlichen Streifzüge durch Chelsea und Kensington, im Kontrast dazu seine Arbeit etwa mit Kindern in Lesotho, werden auf Schritt und Tritt verfolgt.

Die mediale Kunstfigur, die die Blattmacher aus ihm machen, hat etwas von einer männlichen Maria Magdalena. Nachts in den Clubs von London sichten sie den Dirty Harry, in den Armenvierteln von Südafrika aber wirkt der Heilige Harry, der das Erbe seiner Mutter weiterträgt.

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