Sexueller Missbrauch:"20 Minuten Action"

An einer Elite-Uni wird eine Frau missbraucht, die milde Strafe für den Täter erregt die Gemüter in den USA.

Von Christina Waechter

Es sind zwei Briefe, die seit ein paar Tagen voller Entrüstung und voller Empathie durch die sozialen Medien gereicht werden, in beiden geht es um einen jungen Mann namens Brock Turner: US-Amerikaner, 20, ehemaliger Schwimm-Star der Elite-Universität Stanford, verurteilt wegen sexuellen Missbrauchs; zwei Kommilitonen hatten im Januar 2015 beobachtet, wie er auf dem Campus hinter einer Mülltonne eine bewusstlose Frau sexuell missbrauchte. Der eine Brief stammt von Turners Vater Dan A. Turner und ist an den Richter gerichtet. Er bittet um eine milde Strafe für seinen Sohn, der sei seit dem Gerichtsverfahren nicht mehr derselbe: "Man sieht es in seinem Gesicht, an seinem Gang. Sein Leben wird nie so sein, wie er es sich erträumt und wofür er so hart gearbeitet hat. Das ist ein hoher Preis, den er für die 20 Minuten Action bezahlen muss."

Der andere Brief stammt von dem Opfer selbst, einer 23-jährigen Frau, die namentlich nicht bekannt ist. Am vergangenen Donnerstag verlas sie ihn vor der Urteilsverkündung im Gericht und wandte sich dabei an den Angeklagten. In dem zwölfseitigen Dokument, online verfügbar auf dem Portal Buzzfeed, beschreibt sie die Tat und die Folgen dieser Tat: "Du kennst mich nicht, aber du warst in mir und darum sind wir heute hier." Das ist der erste Satz.

Ihren Körper habe sie nach der Tat nicht mehr gewollt, schreibt die Frau in ihrem Statement

Am 17. Januar 2015 habe sie zu Hause bleiben wollen, doch dann habe sie ihre Schwester doch zu einer Party begleitet. Sie schreibt, wie sie tanzte. Wie sie Spaß hatte. Wie sie zu viel und zu schnell Alkohol trank. "Das Nächste, woran ich mich erinnere: Ich sitze auf einer Trage in einem Gang. Ich habe getrocknetes Blut und Pflaster auf meinen Handrücken und Ellbogen." Detailliert beschreibt sie die Untersuchungen: "Mehrmals wurden Wattestäbchen in meine Vagina und meinen Anus eingeführt, Nadeln spritzten mich, es wurden mir Tabletten verabreicht und eine Kamera zwischen meine gespreizten Beine gerichtet. (. . .) Nach ein paar Stunden ließen sie mich duschen. Ich stand da und beobachtete meinen Körper unter dem Wasserstrahl, und beschloss in dem Moment, dass ich diesen Körper nicht mehr haben wollte." Seit der Tat leide sie an Depressionen, habe ihren Job aufgeben müssen. Zudem hätte Turners Anwalt Detektive damit beauftragt, ihr Leben unter die Lupe zu nehmen. In einem Verhör sei ihr suggeriert worden, sie sei eine alkoholabhängige Schlampe - und habe den sexuellen Handlungen auf dem Campus zugestimmt.

Die Strafe für Brock Turner fiel überraschend milde aus. Nachdem er im März 2016 von einer Jury in drei von fünf Anklagepunkten für schuldig gesprochen worden war, wurde er am Donnerstag von Richter Aaron Persky zu sechs Monaten Haft verurteilt - mit der Begründung, dass eine längere Haftstrafe schwerwiegende Folgen haben könnte. Zudem sei Turner jung, habe keine Vorstrafen, von ihm ginge in Zukunft keine Gefahr aus. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert.

Für viele Beobachter ist dieses Urteil ein Schlag ins Gesicht für Opfer sexueller Gewalt. Und nicht nur im Netz ist die Empörung groß: Eine Professorin der Universität Stanford hat juristische Schritte gegen den Richter angekündigt, mit dem Ziel, ihn abberufen zu lassen, und zwei Petitionen sprechen sich für eine Abberufung des Richters aus. Dass er selbst einst Absolvent in Stanford war, kommt ihm dabei eher nicht zugute.

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