Sexualmoral:Papst rüttelt an Verhütungs-Tabu - und provoziert Trump

Sexualmoral: Der Papst spricht auf dem Weg von Mexico nach Italien mit Journalisten.

Der Papst spricht auf dem Weg von Mexico nach Italien mit Journalisten.

(Foto: AFP)
  • Papst Franziskus hat Schwangerschaftsverhütung angesichts des in Südamerika auftretenden Zika-Virus für akzeptabel erklärt: Sie sei im Gegensatz zur Abtreibung kein "absolutes Übel".
  • Über den republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump sagte Franziskus, er sei kein Christ. Er bezog sich dabei auf Trumps Ankündigung, an der Grenze zwischen Mexiko und den USA einen Zaun bauen zu wollen.
  • Trump reagierte sofort und nannte die Äußerung des Papstes "schändlich".

Von Oliver Meiler, Rom

Der Papst hat wieder einmal die Rückreise von einem Auslandsaufenthalt für einige bemerkenswert offene und aufsehenerregende Aussagen genutzt - im Flugzeug, nach einer Woche in Mexiko. Er stellte sich wie gewohnt vor die Sitzreihen der mitgereisten Journalisten und sprach in ein Mikrofon, damit man ihn auch im Heckteil der Maschine hörte. In diesem Rahmen fühlt sich Franziskus offensichtlich besonders wohl. Die mitreisenden Journalisten fragen, und der Papst antwortet frei. So frei, dass dem Chef der vatikanischen Presseabteilung wahrscheinlich jeweils schon schwant, dass ihm die Nachbearbeitung der päpstlichen Offenheit viel Arbeit bescheren wird.

Besonders bedeutsam war die Passage der Pressekonferenz, in der Franziskus über die Verhütung sprach. Eine Journalistin hatte ihn gefragt, ob es nicht das "kleinere Übel" sei, wenn eine schwangere Frau, die sich mit dem Zika-Virus infiziert habe, abtreibe. Darauf der Papst: "Abtreibung ist kein kleineres Übel - es ist ein Verbrechen. Das heißt jemanden umzubringen, um jemand anderen zu retten. Das macht die Mafia, das ist ein Verbrechen. Das ist ein absolutes Übel." Die Vermeidung einer Schwangerschaft hingegen, die künstliche Verhütung also, sei "kein absolutes Übel".

In bestimmten Fällen sei sie zulässig, so zum Beispiel auch im Fall der Seuche Zika, die sich in Brasilien ausbreitet. Franziskus erinnerte dabei an einen Beschluss von Paul VI., Papst von 1963 bis 1978. Dieser ließ zu, dass Verhütungsmittel an Nonnen im damals belgischen Kongo verteilt wurden, weil viele Ordensfrauen dort vergewaltigt wurden. Franziskus gilt in Fragen der Sexualmoral aufgeschlossener und weniger strikt als seine unmittelbaren Vorgänger, Benedikt XVI. und Johannes Paul II. Der Argentinier sagte einmal, die Kirche sei besessen von diesen Fragen, und das sei nicht nötig.

Donald Trump sei "kein Christ" - der Republikaner giftet prompt zurück

Für internationale Schlagzeilen sorgte schnell Franziskus' Sicht auf Donald Trump, den möglichen Kandidaten der Republikaner bei den kommenden US-Wahlen. Man fragte den Papst während des Fluges, ob ein amerikanischer Katholik einen Mann wählen könne, der zwischen den USA und Mexiko einen 2500 Kilometer langen Zaun bauen und elf Millionen Einwanderer aus dem Land weisen wolle. Diese Forderungen gehören zum Programm Trumps. "Ein Mensch, der nur daran denkt, Mauern zu bauen und keine Brücken, der ist nicht christlich", sagte darauf der Papst, "das ist nicht das Evangelium." Es sei nicht seine Aufgabe zu sagen, wen man wählen solle. "Ich sage nur: Dieser Mensch ist kein Christ, wenn er das so sagt. Man muss aber sehen, ob er das wirklich so gesagt hat, nicht wahr?"

Diesen letzten Zusatz wertete Trump wahrscheinlich nicht als Relativierung, als er bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina auftrat und dem Papst auf diese Weise antwortete: "Es ist schändlich, dass ein religiöses Oberhaupt den Glauben eines Menschen hinterfragt." Das sei unglaublich. "Ich bin stolz, Christ zu sein. Der Papst hat negative Dinge über mich gesagt", argumentierte er, "weil die mexikanische Regierung ihm sagte, Trump sei kein guter Junge." In seinem Furor fügte er noch an: Wenn der Vatikan von der Terrormiliz IS angegriffen werde, was ihr Ziel sei, "wird sich der Papst noch wünschen und dafür beten, dass Donald Trump Präsident ist".

Für das italienische Publikum reservierte er dann noch eine Bemerkung von innenpolitischer Relevanz. Der Senat in Rom debattiert in diesen Tagen mit viel Leidenschaft und unter großer Einflussnahme der katholischen Bischöfe über ein Gesetz für gleichgeschlechtliche Paare. Italien ist eines der letzten Länder im westlichen Europa, das in dieser Frage noch immer nicht entschieden hat. Nun sagte der Papst, der Vatikan habe sich da herauszuhalten, solche Angelegenheiten oblägen einzig dem nationalen Parlament. "Der Papst ist der Papst von allen, er mischt sich nicht in die italienische Politik ein."

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