Sex und Rassismus:Vergewaltigungs-Skandal an der Duke University

Weiße Sportler der Elite-Universität sollen eine schwarze Striptease-Tänzerin vergewaltigt haben. Der Fall hat einiges zu bieten: Sex, Crime, Klassendünkel und gesellschaftspolitisches Sprengpotenzial.

Reymer Klüver

Durham - Dies ist eine der Geschichten, die unter die Haut gehen in Amerika.

Collin Finnerty

Einer der Hauptangeklagten: der 19-jährige Collin Finnerty.

(Foto: Foto: AFP)

Eine Frau, jung, alleinerziehend und eine "exotische Tänzerin", wie fast alle Medien puritanisch korrekt formulieren, mit einem (amerikanischen) Wort eine Stripperin, wird nach einem außer Kontrolle geratenen nächtlichen Auftritt vergewaltigt.

Jedenfalls legen das die medizinischen Befunde eines Hospitals nahe, in das sie eingewiesen wurde, unter Schock und ganz offenbar alkoholisiert.

Die Frau ist schwarz, die Beschuldigten sind weiß, allesamt. Sie ist mittellos, die jungen Kerle, Milchgesichter noch, kommen durchweg aus wohlhabendem Hause. Sie spielen in ihrem Collegeteam das Mannschaftsspiel Lacrosse. Ein Sport der weißen Elite, und ihr College, Duke University, ist eine der Elite-Universitäten Amerikas.

Duke liegt in Durham, North Carolina, das ist einer der Südstaaten. Schwarze galten hier noch vor einem halben Jahrhundert, auch offiziell, als Menschen zweiter Klasse.

Papa zahlte

Ein Staatsanwalt ermittelt, angestrengt. Vielleicht auch, weil er, ein Weißer, in diesen Tagen wiedergewählt werden will in einer Stadt, die fast zur Hälfte schwarz ist (in den USA sind auch Staatsanwälte mitunter Wahlbeamte). Die Tatverdächtigen bieten dagegen eine Phalanx versierter Anwälte auf, die den Ankläger zusehends überfordert wirken lassen.

Der Fall hat einiges zu bieten: Sex und Crime, Klassendünkel, persönliche und politische Ranküne und, ohne Zweifel, gesellschaftspolitisches Sprengpotenzial.

Manches erinnert in fast grotesker Weise an den Roman "Fegefeuer der Eitelkeiten", in dem Tom Wolfe schilderte, wie der Rassismus albtraumartig alle Gesellschaftsschichten durchwuchert. Nur, das war Fiktion, die Geschichte in Durham aber ist Wirklichkeit.

Vergewaltigungs-Skandal an der Duke University

Alles begann Mitte März mit einer alkoholseligen Party in einem der weißen, mit kleinen Vordächern geschmückten Holzhäuser, wie sie in Durham, überhaupt in den grünen Hügeln der Carolinas, so oft zu finden sind.

Duke University

Studenten der Duke University.

(Foto: Foto: AP)

Die Kapitäne der 47-köpfigen Lacrosse-Mannschaft, alle um die 20, hatten das Häuschen am Buchanan Boulevard gemietet. Papa zahlte. Und sie hatten die glorreiche Idee, zwei dunkelhäutige Stripperinnen zu bestellen.

Die Frauen brachen ihre mitternächtlichen Darbietungen ab, nachdem sie aus der Horde junger Kerle aufgefordert worden waren, einen Besenstiel zu eindeutigen Handlungen zu benutzen. Danach gehen die Schilderungen auseinander.

Außer Gejohle sei nichts geschehen

Die Lacrosse-Eleven behaupten, nach einigem Gejohle sei nichts weiter geschehen. Entsprechend den Schilderungen einer der beiden Tänzerinnen wirft Staatsanwalt Michael Nifong dagegen zwei jungen weißen Männern vor, sie brutal auf der Toilette vergewaltigt zu haben.

Ein Gentest von 46 Lacrosse-Spielern hat kein eindeutiges Ergebnis geliefert. Nifong klagte dennoch den 19-jährigen Collin Finnerty und den ein Jahr älteren Reade Seligmann an - aufgrund der Aussagen des 27 Jahre alten mutmaßlichen Opfers.

Staatsanwalt Nifong hatte ihr Fotos der Spieler gezeigt, sie durfte auswählen und war sich bei zwei Aufnahmen "hundertprozentig" sicher, wie der Staatsanwalt sagte. Eine Ermittlungsmethode, die nicht nur bei den Anwälten der Studenten Kopfschütteln auslöste.

Die Mannschaft schweigt offenbar geschlossen. Am College zirkuliert mittlerweile ein Flugblatt der Durhamer Polizei mit den Passbildern von 43 Spielern und der Aufforderung: "Bitte packen Sie aus." Ihre beiden angeklagten Kameraden kamen gegen eine Kaution von jeweils 400 000 Dollar wieder frei.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit

Deren Anwälte versuchen derweil, die Glaubwürdigkeit der jungen Frau in Zweifel zu ziehen. Sie fanden heraus, dass sie einem Kunden nach einem Auftritt vor vier Jahren das Auto gestohlen hatte. Dazu kommen Alkohol- und Drogenmissbrauch.

Und sie hatte vor zehn Jahren schon einmal drei Männer wegen Vergewaltigung angezeigt, Vorwürfe, denen die Behörden offenbar wenig Glaubwürdigkeit schenkten. Es kam jedenfalls nie zu einer Verhandlung.

Vergewaltigungs-Skandal an der Duke University

Black Panthers

Mitglieder der Black Panthers demonstrieren vor der der Universität.

(Foto: Foto: AFP)

Ihre Begleiterin ist auch nicht wirklich eine vertrauenerweckende Zeugin. Sie ist vorbestraft, und sie schrieb an eine New Yorker PR-Agentur: "Ich bin im Mittelpunkt einer der gerade größten Storys des Landes." Die Agentur solle ihr raten, wie sie das Ganze "zu ihrem Vorteil drehen" könne. Die Agentur hatte nichts Besseres zu tun, als die Anfrage zu veröffentlichen.

Von den 47 Lacrosse-Spielern wiederum haben 15 bereits Anzeigen kassiert, weil sie in aller Öffentlichkeit Alkohol tranken oder urinierten. Beides ist in den USA verboten.

Der 19-jährige Finnerty aber, der aussieht, als sei er dem Konfirmationsalter kaum entwachsen, war erst im November nach einer Prügelei zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert worden. Er hatte sein Opfer als Schwulen beschimpft.

Gebete und Aufmärsche

Auch politisch hat die Angelegenheit längst ein Eigenleben bekommen. Jesse Jackson, der Bürgerrechtler, der immer zur Stelle ist, wenn es Schlagzeilen geben könnte, will für die Stripperin beten - und die Gebühren für ein College-Studium übernehmen.

Und erst am Montag marschierten 40 uniformierte Black Panther vor dem Haus auf, wo die Party so grässlich aus dem Ruder gelaufen war.

In Durham selbst hatten die Partys schön länger gestört. Es ist nicht wirklich eine wohlhabende Stadt, und präpotente Studenten aus vermögendem Hause, die das auch noch zeigen, sind da nicht beliebt. Duke hat versucht, die Spannungen abzubauen.

Die Hochschule hat Häuser, die für solche Partys angemietet wurden, kurzerhand gekauft, renoviert und Dozenten überlassen. Sie hat den Verhaltenskodex für die Studenten verschärft, insbesondere, was den Alkoholkonsum angeht.

Und die Uni-Leitung hatte, erst vor ein paar Wochen, den Trainer des Lacrosse-Teams abgemahnt wegen der Rüpeleien seiner Jungs.

Ein Trainer tritt zurück

Inzwischen hat der Trainer seinen Hut genommen, und Unipräsident Richard Brodhead Duke erklärte die Lacrosse-Saison für beendet, obwohl das Team gute Chancen hatte, den ersten Platz unter den Eliteschulen zu machen.

Brodhead fragte öffentlich, ob Duke ungewollt einer "Kultur der Grobheit" Vorschub geleistet habe anstatt eine "Erziehung des Charakters" zu fördern.

Der Vorfall lasse die Sorgen wachsen, "dass das Erbe des Rassismus, der hassenswerteste Teil der amerikanischen Geschichte, genauso überlebt hat wie eine tief sitzende Ungleichheit in unserer Gesellschaft".

Dass diese Gedanken nicht ganz unbegründet sein könnten, zeigt eine E-Mail, die einer der Lacrosse-Spieler nach dem Vorfall an seine Mannschaftskameraden schickte.

Er wolle noch einmal ein paar Stripperinnen engagieren, schrieb der junge Mann, und er musste nicht dazu schreiben, dass er Schwarze meinte. Er wolle ihnen die Haut abziehen und sie töten und dabei in sein Duke-Trikot ejakulieren. Seine Team-Kollegen sagen, das sei ein Scherz gewesen.

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