Serena Williams auf dem "Vanity Fair"-Cover:Eine Schwangerschaft als politisches Statement

Serena Williams, Vanity Fair

Im August erscheint das US-Magazin Vanity Fair mit Serena Williams auf dem Cover.

(Foto: ANNIE LIEBOVITZ/VF)

Vor 26 Jahren posierte Demi Moore nackt und mit Babybauch auf dem Cover der "Vanity Fair" - jetzt tut es ihr Tennisspielerin Serena Williams nach. Die Botschaft dieses Bildes ist wichtiger denn je.

Von Johanna Bruckner, New York

Als Demi Moore 1991 nackt und hochschwanger auf dem Cover der Vanity Fair zu sehen war, taugte das Titelbild zum Skandal. Kritiker befanden, die Darstellung sei pornografisch; Supermärkte in den USA weigerten sich, das Magazin zu verkaufen. Seitdem sind 26 Jahre vergangen und prominente Frauen mit Babybauch sind längst ein Verkaufsschlager am Kiosk. Ob die Damen nichts anhaben oder - passend zur Babyzimmer-Kulisse - in Pastelltönen posieren, spielt dabei keine Rolle. Einige Schwangere haben es Moore nachgemacht und sich hüllenlos ablichten lassen: Cindy Crawford (1999), Britney Spears (2006), Claudia Schiffer (2010), Jessica Simpson (2012) - und nun auch Serena Williams. Sie wird auf dem Cover der August-Ausgabe der Vanity Fair zu sehen sein.

2017 kein großes Ding, könnte man meinen. Aber der Körper einer der besten Tennisspielerinnen der Welt war bereits vor ihrer Schwangerschaft politisch. In Trumps Amerika ist er es umso mehr.

Das hat natürlich damit zu tun, dass da ein Mann das höchste Amt im Land innehat, der vor Jahren damit prahlte, Frauen sexuell belästigen zu können, ohne dafür belangt zu werden. Das hat aber auch damit zu tun, dass Trump plant, einer Organisation wie Planned Parenthood staatliche Gelder zu entziehen, weil sie in ihren Kliniken Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Der Körper einer Frau gehört einer einzigen Person, nämlich der jeweiligen Frau? Sie allein bestimmt, was mit ihm geschieht - eben auch, ob sie schwanger sein möchte oder nicht? Das war einmal, so scheint es.

Nicht von ungefähr sieht man in diesen Tagen bei Anti-Trump-Protesten immer wieder Frauen in roten Capes mit weißen Hauben - eine Anspielung auf die Kostüme in der Hulu-Serie The Handmaid's Tale. Die Verfilmung des dystopischen Romans von Margaret Atwood trifft im linken Amerika einen Nerv: Im Buch geht es um eine Gesellschaft, in der nur noch wenige Frauen fruchtbar sind. Diese Handmaids (deutsch: Dienerinnen) müssen der Oberschicht als Gebärsklavinnen Kinder zur Welt bringen. In Rückblenden ist zu sehen, wie die Frauen vor dem Militärputsch lebten: Es ist das Amerika der Jetzt-Zeit. Zivilisatorischer Fortschritt, das ist die bedrückende Botschaft der Serie, ist mitnichten unumkehrbar. Wer die Warnzeichen nicht ernst nimmt - zum Beispiel die Verharmlosung von Sexismus, und schlimmer noch, von sexuellen Übergriffen - der läuft Gefahr, sich eines Tages in den "bad old days" wiederzufinden, wie die New York Times schreibt.

Es passt auf traurige Art und Weise in diese Zeit, das am selben Tag, als Serena Williams ihren Instagram-Followern erste Fotos des Shootings mit Star-Fotografin Annie Leibovitz präsentiert, ein ehemaliger amerikanischer Sportheld seine abwertenden Aussagen über die Tennisspielerin verteidigt. John McEnroe hatte über Williams gesagt: Würde sie bei den Männern spielen, sehe er sie auf Platz 700 der Weltrangliste. Sich selbst verortet der Tennis-Senior im Übrigen auf Rang 1200. (2015 hatte er sogar behauptet, Williams immer noch schlagen zu können.)

McEnroes Männertennis-Vergleich bedient ein Bodyshaming-Narrativ

Mal davon abgesehen, dass solche Spekulationen müßig sind - Williams selbst hat in der Vergangenheit gesagt, dass sie vermutlich in "fünf bis sieben Minuten" verlieren würde, müsste sie gegen die Nummer eins der Männer spiele. Frauentennis und Männertennis seien "beinahe zwei unterschiedliche Sportarten". Was also sollte McEnroes Kommentar? Nun, der 58-Jährige braucht Publicity, um seine demnächst erscheinende Biografie zu promoten ("But Seriously") - und mit Skandalen ist das ehemalige Enfant terrible des Tennis in der Vergangenheit gut gefahren. McEnroes Männertennis-Vergleich bedient dabei genau jenes Bodyshaming-Narrativ, gegen das Serena Williams und ihre ältere Schwester Venus seit Beginn ihrer Karrieren kämpfen.

Immer wieder mussten die beiden sich für ihren athletischen Körperbau rechtfertigen. 2014 suspendierte die Women's Tennis Association (WTA) den damaligen russischen Verbandschef Schamil Tarpischtschew für ein Jahr, nachdem er in einer TV-Show von den "Williams-Brüdern" gesprochen hatte. Serena Williams hat dagegengehalten - in Interviews und mit Bildern. "Ich habe einfach keine Zeit, mich runterziehen zu lassen. Ich habe zu viele Dinge zu tun, wissen Sie. Ich muss Grand Slams gewinnen. Ich muss Menschen inspirieren. Darum bin ich hier", erklärte sie beispielsweise 2015. Im gleichen Jahr posierte sie für den weltberühmten Pirelli-Kalender. Die Fotos von Star-Fotografin Annie Leibovitz betonten Williams' muskulösen Körperbau, anstatt ihn zu verstecken. Sie waren ein Statement: "Ich schäme mich nicht für meinen Körper. Nie."

Die gleiche Botschaft vermitteln nun auch die Bilder der im siebten Monat schwangeren Sportlerin. Fotografin ist abermals Annie Leibovitz, die bereits vor 26 Jahren Demi Moore fotografiert hatte und nun auf eine ähnliche Inszenierung setzt: Williams ist im Profil vor einem grauen Hintergrund zu sehen, mit der rechten Hand bedeckt sie ihre Brüste, die linke hat sie in die Seite gestemmt. Außer einem hautfarbenen Slip und einer dünnen Silberkette um die Hüften ist die 35-Jährige nackt. Im Gegensatz zu Moore schaut sie den Betrachter nicht direkt an, ihr Gesicht ist ebenfalls von der Seite fotografiert. Ihr Blick könnte trotzdem nicht aussagekräftiger sein. Er wirkt stark und stolz.

Bislang waren es vor allem prominente weiße Frauen, die ihre Schwangerschaft in Szene setzten. (Ausnahmen aus der jüngeren Vergangenheit: das afroamerikanische Starlet Blac Chyna, das 2016 nackt und mit Babybauch auf dem Cover des Paper Mag zu sehen war, und Sängerin Beyoncé, die ihre zweite Schwangerschaft Anfang des Jahres mit einem Foto verkündete, das sie als leichtbekleidete Fruchtbarkeitsgöttin zeigte.) Über die gesellschaftspolitische Botschaft ihres Covers spricht Williams in der zugehörigen Titelgeschichte allerdings weniger. Stattdessen plaudert sie lieber über Privates, zum Beispiel, wo und wie sie ihren Verlobten, Reddit-Mitbegründer Alexis Ohanian, kennengelernt hat (2012 in einem Hotel in Rom beim Frühstück).

Macht das ihren Magazin-Auftritt weniger wuchtig in seiner Wirkung, weniger wichtig? Im Gegenteil. Serena Williams lässt schlicht Bilder sprechen. Oder wie es Harling Ross, Autorin beim Blog Man Repeller, formuliert: "Maybe I just need to look and listen."

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