Semperopernball:Ball und Rauch

Drinnen Sexbomben, draußen Feuerwerk: Dresden feiert mit prominenten Gästen den elften Semperopernball. Manch einer aber fragt sich: Wie politisch darf so ein Abend sein?

Von Cornelius Pollmer

Bevor es gleich in die rechte Hosentasche von Peter Ramsauer geht, noch ein kurzer Stopp am freundlich bewachten Tor zur Unterwelt. Es ist Freitagabend, die Stadt Dresden feiert den elften Semperopernball, und allein deswegen steht Helma Orosz nun im Keller des Kempinski-Hotels und lächelt. Orosz war Oberbürgermeisterin der Stadt Dresden, nun amtiert sie als Empfangschefin beim Warm-up für die Buntesten der bunten Ballgesellschaft und als solche findet sie zunächst gut ins Spiel. "Na, Sie Schlingel!", pustet Orosz Dieter Wedel fröhlich entgegen, der gerade etwas miesepetrig die Treppe heruntergeschlurft kommt. "Das Wetter wird besser", lobt sie Laune und Leichtigkeit von Wedels Begleitung. "Mein Lieblingsminister!", jubelt Orosz schließlich, als Fritz Jaeckel eintrifft, der Chef der Sächsischen Staatskanzlei. Sogleich jedoch ermüden ihre Augen, lange und eindeutig ahnungslos blickt Orosz auf die junge blonde Frau vor sich und sagt dann tapfer: "Herzlich willkommen heute hier, schön, dass Sie da sind." Man hört, wie der Groschen nicht fällt.

Die blonde Frau heißt Melanie Müller, sie schlüpft recht zügig an Orosz vorbei, aber gerät leider nicht in einen Gesprächskreis mit Youssef al-Alawi Abdullah. Al-Alawi ist als Außenminister des Sultanats Oman geladen und wird mit einem Orden des Balls geehrt. Müller wiederum ist als ehemalige "Dschungelkönigin" geladen, und weil man nicht viel mehr über sie weiß als das, stellt man nun eine doofe Frage. Frau Müller, welchen Gast würden Sie mit ins Dschungelcamp nehmen? "Na, den Kurt! Dem würde ich sofort den Reistopf bringen", sagt das ehemalige Erotik-Model, und das erzählt man dem ehemaligen Herrscher des Freistaats, Sachsen-Sultan Kurt Biedenkopf, lieber nicht weiter.

Stattdessen geht es an Biedenkopf vorbei also zu Peter Ramsauer, dessen Bayerischer Verdienstorden schon von Weitem sichtbar am Halse aufblitzt. Herr Ramsauer, muss das denn sein? Er befinde sich, sagt Ramsauer, in einem eng verbündeten Freistaat, da habe er gerne "die Insignien der eigenen Ethnie" angelegt. "Extremely beautiful" findet das der ägyptische Botschafter, Ramsauer kramt da schon wieder in seiner rechten Hosentasche und holt von dort sein Bundesverdienstkreuz hervor, als wäre es ein alter Kaugummi. Aus einer gewissen Verstörung heraus fällt einem abermals nur eine müde Folgefrage ein, also, Herr Ramsauer, warum sind Sie eigentlich hier? Erstens sei der Semperopernball inzwischen das herausragendste Ballereignis Deutschlands, sagt er. Und zweitens? "Scho' das, was der Jaeckel g'rade g'sagt hat."

11. Semperopernball

Das Motto der diesjährigen Veranstaltung - "Schillern: In wechselnden Farben, Graden von Helligkeit glänzen" - wurde draußen äußerst konsequent umgesetzt.

(Foto: Arno Burgi/dpa)

Das, was der Jaeckel g'rade g'sagt hat, in einer kurzen Ansprache, ist Folgendes: Dresden sei eine barocke Stadt, die nach urbaner Modernität suche, und "da gibt es Leerstellen". Im Grunde verbiete es sich von selbst, einmal in der Woche auf Dresdens Straßen zu demonstrieren, und angesichts eines so bunten Balles "wünsche ich mir, dass die Bilder von heute Abend bei den Menschen im Herzen ankommen, die es vielleicht in dieser Zeit am nötigsten brauchen".

Dafür gibt es im kleinen Empfangsrund schon sanften Applaus, die Botschaft wiederholt sich später coram publico in der Oper bei der Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Wulff bekommt ebenfalls einen St.-Georgs-Orden, in der Laudatio von Günther Oettinger wird schon mal deutlich, womit diese Auszeichnung auch zu begründen ist. Oettinger erinnert an Wulffs Satz, auch der Islam gehöre zu Deutschland: "Das war damals ein mutiger Satz, er hat Diskussionen ausgelöst, er hat Deutschland gutgetan."

In seiner Dankesrede sagt Wulff, er empfinde besondere Verantwortung in diesen unruhigen Zeiten. Ihm sei daran gelegen, "dass wir unsere Werte leben und unsere Werte verteidigen gegen jeden, der sie in Gefahr bringt, von innen oder von außen". Und Wulff geht auf das Gefühl ein, das sich in Dresden gerade einen Hauch stärker empfinden lässt als anderswo, das Gefühl, man erlebe eine Art Vorabend, wofür auch immer. Wulff erinnert an 1914, an 1919, und er fragt sich, wie in Zukunft einmal auf das Jetzt zurückgeblickt werden wird: "Unsere Kinder werden Sie und uns später fragen, was habt ihr in diesem Schicksalsjahr 2016 getan, jeder Einzelne, was habt ihr getan?" Er wünsche sich, dass das Jahr eines des Erkennens wird, die Verheißung von Frieden und Freiheit werde sich nur erfüllen, "wenn wir nicht klein denken, weder in Europa noch in Deutschland."

11. Semperopernball in Dresden

Mit einem Kostümspektakel beteiligten sich die Models der Warsaw School of Art an dem schillernden Fest.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

So viel zur politischen Note, um die sich der Semperopernball in diesem Jahr bemüht, beginnend schon in seinem Motto. 2011 lautete es "Dresden lächelt", im Jahr darauf "Dresden darf das", 2014 wurde der Stadt ein "Glitzern" attestiert. Aus dem Glitzern ist in diesem Jahr ein "Schillern" geworden, so geht es, wenn man Diplomatie mit dem Duden betreibt. "In wechselnden Farben, Graden von Helligkeit glänzen", steht darin zur Erläuterung des Verbes. Die Grade geringer Helligkeit lassen sich am Freitag nur erahnen, etwa auf dem "Semperopenairball" auf dem Theaterplatz, wo sich nach Urteil des Auges deutlich weniger Menschen zusammengefunden haben als in den Jahren zuvor. Das kann mit der Pegida-genährten Eliten-Skepsis im Volk zusammenhängen, wobei diese sich zum Teil auch in der mit 2500 Gästen kuschelig überbuchten Oper finden lässt. Nach dem traditionell wagnerianischen Zeremoniell bilden sich wieder neue Stehkreise. Man sieht Melanie Müller nicht mehr, aber dafür noch mehr Menschen mit Verdienstorden von Sachsen bis Berlin. Und man hört von den Halsbandträgern immer mal wieder Halbsätze ähnlichen Tenors: So ein schöner Ball, aber diese politischen Botschaften, braucht es das wirklich?

Da verweist man am besten auf Uschi Glas, Mario Adorf und Gunther Emmerlich, denen ebenfalls Preise zuteilwerden, und quetscht sich durch die Oper. Im Foyer gibt es schließlich Felsen-Austern, 3,50 Euro das Stück. Noch besser wäre es, man hätte jenes Programmbuch griffbereit, in dem die verstorbene Intendantin Ulrike Hessler einst schrieb, dass Oper mehr sein müsse als nur ein Gewerbe, "das mit Kalkül auf die Schwächen seines Publikums zielt".

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