Seltsamer Leichenfund:Ewige Ruhe

In den Niederlanden liegt ein Mann vier Jahre tot im Bett. Seine Geschwister, die mit ihm in einem 133-Quadratmeter-Haus wohnten, bemerkten es nicht - denn er sei gern alleine gewesen.

Claudia Fromme

Wer seine Ruhe haben will, dem hat Minnertsga einiges zu bieten. In dem friesischen Dorf im Nordwesten der Niederlande leben gerade mal 1850 Einwohner, Felder umgeben großzügig Reihen roter Klinkerhäuschen, nur eine Hauptstraße führt durchs Dorf. Störender Zuglärm ist nicht zu erwarten: Der Bahnhof im Ort wurde bereits 1940 geschlossen.

Rients Wolbers, 50, soll das alles noch nicht ruhig genug gewesen sein. Der Mann, der mit seinen vier Geschwistern in einem rot geklinkerten Reihenendhaus in der Winsemiusstrjitte 24 in Minnertsga lebte, erklärte seiner Verwandtschaft eines Tages, dass er fortan keine Störung mehr wünsche. Die Geschwister behelligten ihn nicht mehr, mieden sein Zimmer in dem gemeinsamen Häuschen - bis Handwerker am Montag hinein wollten, um den Raum für neue doppelverglaste Fenster auszumessen. Im Bett lag Rients Wolbers. Tot. Seit vier Jahren.

Mit der Ruhe war es dann vorbei

In den Niederlanden verbreitete sich die Nachricht schnell, mit der Ruhe in Minnertsga ist es erst einmal vorbei. Fernsehreporter haben Fragen an die Nachbarn, die erklären, dass die Geschwister freundliche Leute sind. Die Polizei hat noch mehr Fragen an die Geschwister, die ausgesagt haben, dass ihr Bruder ihnen beschied, er wolle "gefälligst in seinem Zimmer in Ruhe gelassen werden".

"Sie gehörten einer streng religiösen Gemeinschaft an"

Die zwei Brüder von Rients Wolbers sind 61 und 67 Jahre alt, die zwei Schwestern 44 und 71. Ein Makler hat im Mai im Internet ein augenscheinlich baugleiches Reihenendhaus in der Straße angeboten: Sechs Zimmer verteilen sich laut Exposé auf 133 Quadratmetern Wohnfläche. Wie kann man da nicht bemerken, dass einer im Nebenzimmer tot im Bett liegt? Johannes Holwerda von der zuständigen Polizei in Het Bildt sagt, dass Wolbers eines natürlichen Todes gestorben sei, wegen der ungewöhnlichen Umstände aber eine zusätzliche Obduktion vorgenommen werde, das Ergebnis werde in der nächsten Woche erwartet. Die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen aufgenommen, sie prüft, ob sich die Angehörigen der Vernachlässigung schuldig gemacht haben.

Arbeitslosengeld - auch nach dem Tod

Rients Wolbers war in der Nachbarschaft als kränklich bekannt. Im niederländischen Fernsehen spricht Holwerda vorsichtig von einem "besonderen Fall". Die Menschen lebten sehr zurückgezogen, selten hätten sie das Haus verlassen. Sie gehörten einer streng religiösen Gemeinschaft an, hätten nie einen Doktor in das Haus gelassen. "Sie glauben, dass alles von oben gesteuert wird", sagt er.

Ganz auf ihren Glauben wollten sich die Bewohner der Winsemiusstrjitte 24 aber nicht verlassen: Das Arbeitslosengeld von Rients Wolbers wurde pünktlich über vier Jahre lang ausgezahlt und befindet sich offenbar noch auf seinem Konto. Warum die Zahlungen all die Jahre angewiesen wurden, ohne dass Wolbers vorstellig wurde, will die zuständige Behörde nicht kommentieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: