Zunächst interessierte sich nur das Urner Wochenblatt für Wendelin Bucheli, katholischer Pfarrer in Bürglen, einem kleinen Örtchen im Kanton Uri. Ende Oktober veröffentlichte das Blatt einen kurzen Artikel: "Bürgler Pfarrer gibt lesbischem Paar den Segen". Darin erklärt Bucheli, warum er sich entschieden hatte, die beiden Frauen zu segnen: "Heutzutage werden Tiere, Autos und sogar Waffen gesegnet. Warum soll man nicht auch ein Paar segnen, das seinen Weg gemeinsam mit Gott gehen möchte?"
Zwar merkte das Blatt an, dass die Meinungen der Kirche in dieser Frage auseinander gingen - doch welche Wucht die Entscheidung des Seelsorgers entfalten würde, war nicht zu erahnen.
Heute, gut vier Monate nach der Segnung, steht Wendelin Bucheli im Zentrum einer Auseinandersetzung, die inzwischen die gesamte Schweiz erschüttert. Neuester Höhepunkt des Konflikts: Vitus Huonder, Bischof von Chur, und Wendelin Bucheli, immer noch Pfarrer von Bürglen, beschuldigen sich gegenseitig, Lügen zu verbreiten. Der Konflikt zwischen dem konservativen Bistum und dem progressiven Gemeinde-Pfarrer hängt seit Monaten an einer Frage: Darf Bucheli in seiner Gemeinde bleiben?
"Bewusst gegen die Lehre der Kirche"
Für das Bistum Chur ist klar: Buchelis Segnung - die er im Urner Wochenblatt "von der Form her" mit einer Trauung verglichen hatte - sei in der Lage, "die kirchliche Lehre über Ehe und Familie zu verunklären". Diese ist schließlich eindeutig: Die Ehe ist eine Verbindung zwischen Mann und Frau. Nun, da die Segnung von Bürglen auch weit über die Landesgrenzen hinaus "Aufsehen erregt" habe, könne man diese nicht einfach so stehen lassen.
Der Pfarrer habe sich "bewusst gegen die Lehre der Kirche verhalten" und müsse daher sein Amt zur Verfügung stellen, erklärte ein Sprecher des Bischofs. Doch während das Bistum davon ausgeht, dass Bucheli "seinem Bischof gehorcht", will der Pfarrer weiter in Bürglen bleiben. Und, besonders ärgerlich für das Bistum: Die Gläubigen wollen das auch.
Gemeinde steht hinter dem Pfarrer
In einem Gemeindebrief vom 9. Februar stellt die Gemeinde Bürglen fest: "Pfarrer Bucheli wird bleiben." Mit dieser Haltung ist das 4000 Einwohner starke Dorf nicht allein. Eine Online-Petition, die sich für Buchelis Verbleib einsetzt, hat inzwischen 42 000 Unterschriften gesammelt - und die Seelsorger des Kanton Uri haben sich in einem offenen Brief an das Bistum Chur gewandt: Eine Strafversetzung des Pfarrers würde der Glaubwürdigkeit der Kirche großen Schaden zufügen, befürchten die Kollegen. Die Segnung selbst habe nämlich im Kanton Uri gar keine Wellen geschlagen.
Doch das dürfte Vitus Huonder und andere konservative Geistliche kaum überzeugen. Die katholische Lehre und die Auffassung ihrer Gläubigen gehen immer weiter auseinander. Als 2008 im hessischen Wetzlar ein schwules Paar gesegnet wurde, zeigte sich der Bezirksdekan noch einsichtig und gab sein Amt, "um weiteren Schaden von der Kirche abzuwenden", ab. Inzwischen scheint nicht mehr so klar zu sein, wer der Kirche mehr Schaden zufügt.
In Bürglen sind die Sympathien klar verteilt: Bucheli wurde vergangene Woche mit Standing Ovations aus der Messe verabschiedet.