Schwieriger Kampf:Rosen für den Staatsanwalt

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Wie der Bezirk Neukölln versucht, das Problem der organisierten Kriminalität in den Griff zu bekommen.

Von Jens Schneider

Eine nächtliche Fahrt durch ihren Bezirk war eines der Schlüsselerlebnisse von Franziska Giffey, der Bürgermeisterin Neuköllns. Sie begleitete das auf organisierte Kriminalität spezialisierte mobile Einsatzkommando. Giffey erfuhr, "wo welche arabische Großfamilie wohnt, und wo oft Deals laufen". Sie lernte, wo mit Drogen gehandelt wird, "oder eine Bar ist, in der häufig minderjährige Mädchen auftauchen, die vielleicht zur Prostitution gezwungen werden".

Vieles spiele sich hinter verschlossenen Türen ab, sagt die Sozialdemokratin. "Vieles ist nicht sofort sichtbar." Zu dieser Welt gehörten Raub und illegales Glücksspiel, Hehlerei und Schleusungen. Zunehmend fallen Versuche auf, illegale Einnahmen legal im Immobilienbereich zu investieren. Neukölln erlebt einen Boom, es profitiert vom wirtschaftlichen Aufschwung Berlins. "Es gibt bei uns keine No-go-Areas, keine Gassen, in die man nicht hineingehen sollte", sagt Giffey über den Bezirk mit dem düsteren Ruf. Aber viele, die gern zum Ausgehen nach Neukölln kämen, den Bezirk wegen seiner Kneipen lieben, wüssten nicht, dass eine Straße weiter oder ein Stockwerk über der Szene-Bar die organisierte Kriminalität blühe.

Das kriminelle Engagement auf dem Immobilienmarkt beobachtet Giffey mit großer Sorge. Sie will den Kampf gegen die Strukturen weiter forcieren. Zehn arabische Großfamilien leben ihren Angaben zufolge unter den 329 000 Einwohnern Neuköllns, mit gut 1000 Mitgliedern, ein großer Teil sei "polizeibekannt". In der nachwachsenden Generation würden viele zu jungen Tätern herangezogen. Die Jugendgerichtshilfe begegne immer wieder den gleichen Namen.

Schon länger setzt Neukölln hier auf eine Null-Toleranz-Strategie, etwa im Umgang mit Schulschwänzern. Giffey: Nicht jeder Schulschwänzer werde ein Intensivtäter, aber in der Regel sei jeder Intensivtäter ein Schulschwänzer gewesen.

Die Polizei hat die Clans lange schon im Fokus, seit diesem Herbst gibt es in Neukölln eine eigene Abteilung der Staatsanwaltschaft, die sich dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität widmet. Ein Pilotprojekt. Die Staatsanwälte haben ihr Büro neben dem Rathaus.

Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey will auf die Vernetzung der Clans mit einem engen Netzwerk der Behörden antworten. Jugendamt und Schulamt, Staatsanwaltschaft und Polizei, aber auch das Gewerbeamt und das Bauamt sollen eng miteinander kooperieren. "Sie sollen ihr Wissen teilen, um schneller und intensiver aufzuklären", und Einsätze gezielt vorbereiten. Man könne die Kriminalität nicht aus der Welt schaffen, sagt Giffey, "aber wir müssen den Kampf öfter gewinnen."

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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