Schweiz:Na dann prost

Lesezeit: 2 min

Ein Schweizer Politiker Mario Fehr geht im Mai 2017 in eine Fußballkneipe, nach einem Lokalderby schüttet jemand dem Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich Bier über den Kopf. Die Geschichte eines langen Nachspiels.

Von Charlotte Theile, Zürich

Es gibt wenige Lokalpolitiker, die in der Schweiz so bekannt sind wie Mario Fehr. Der Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich ist offiziell Sozialdemokrat - mit seiner Politik aber hat er in den vergangenen Jahren vor allem rechts der Mitte für Beifall gesorgt. Fehr steht für eine harte Asylpolitik, ein schweizweites Burkaverbot - und zornige Anrufe in Redaktionen, die kritisch über ihn berichten. In diesen Tagen dürfte sein Zorn dem neu gegründeten Online-Magazin Republik gelten. Das Start-up hatte am Freitag einen Artikel veröffentlicht, der den Sicherheitsdirektor ausgesprochen schlecht aussehen lässt.

Angefangen hatte alles mit einem Glas Bier. Ein harmloses, frisch gezapftes Getränk, das Fehr an einem Samstagabend im Mai 2017 über den Kopf geschüttet wurde. Der Vorfall fand in einer Fußballkneipe statt, direkt im Anschluss an ein aufgeheiztes Lokalderby. Die Fußballfans aus Winterthur, traditionell ein linker Klub, hatten 3:0 gegen Zürich verloren. Ihre Kneipe war wohl kein guter Ort für einen Zürcher Sicherheitsdirektor mit Law-and-Order-Agenda.

Es kam zum Zusammenstoß. Es floss Bier, der Direktor soll, so war es kurz darauf in den Schweizer Medien zu lesen, "von Kopf bis Fuß nass" gewesen sein.

"Fehr war unverletzt. Nicht aber sein Ego." So beschreibt es das Magazin Republik, - und zeichnet dann detailliert nach, wie der Sicherheitsdirektor versuchte, dem Bierausschütter eine Lektion zu erteilen. Das "Nachspiel", mit dem Fehr beim Verlassen der Bar gedroht haben soll, hat nach den Recherchen des Magazins zu einem monatelangen Ermittlungsverfahren geführt. Darin war nicht nur die Polizei in Winterthur, sondern auch die Kantonspolizei Zürich verwickelt. Eine heikle Angelegenheit: Fehr, der sich auf Anfrage der SZ nicht zu der Geschichte äußern wollte und auf "Persönlichkeitsrechte der Beteiligten" verwies, ist der politische Vorgesetzte der Kantonspolizei. Wenn seine Leute monatelang einer kleinen Tätlichkeit hinterherrecherchieren, ist das zumindest fragwürdig. Das Magazin Republik machte die Probe aufs Exempel: Als der Redakteur eine unbekannte Person anzeigte, die ihm ein Bier über den Kopf geschüttet hatte, erntete er von der Polizei nur ein müdes Lächeln.

Auch die Ermittlungen gegen den Fußballfan liefen zunächst ins Leere. An mangelnder Bereitschaft der Zürcher Behörden lag das nicht: Ein Mann, der im Sekretariat von Fehr beschäftigt ist, soll sogar Fotos der sogenannten Bierkurve in Winterthur angefertigt haben. Unter den Fans machten Gerüchte die Runde: Man vermutete gar Zivilpolizisten im Stadion.

Schließlich führten die Bemühungen zum Erfolg. Der Bierausschütter konnte ermittelt werden. Doch der junge Mann wurde bis heute nicht wegen Tätlichkeit belangt. Stattdessen soll ihn Mario Fehr im Oktober 2017, fünf Monate nach dem Vorfall, zu einem persönlichen Gespräch getroffen haben. Hinter verschlossenen Türen soll man vereinbart haben, die Sache zu vergessen.

Hatte sich der Sicherheitsdirektor in der Zwischenzeit beruhigt? Nein, heißt es in den Schweizer Medien: Es stellte sich heraus, dass der Bierausschütter der Sohn einer Parteikollegin war. Ihn zu belangen, hätte Fehr politisch geschadet. Was gerade noch eine Staatsaffäre war, wurde wieder zu einer Kleinigkeit: einem verschütteten Bier. Prost.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: