Schweiz:Derwische? Heuhaufen!

Gotthard rail tunnel opening

Eröffnungsfeier des Gotthard-Tunnels: "tanzende Heuhaufen".

(Foto: Gabriele Putzu/dpa)

Ein barbusiger Engel, wilde Steinböcke, orange gekleidete Bergarbeiter: Die schauspielerische Eröffnung des Gotthardtunnels beschäftigt den Bundesrat.

Von Charlotte Theile

Viel ist schon geschrieben und gesagt worden über den Gotthard-Basistunnel, auch über das Theaterstück, das während der Eröffnung aufgeführt wurde. In dem Stück von Volker Hesse traten ja orange gekleidete Bergarbeiter und einige ungewöhnliche Figuren auf: ein barbusiger Engel mit Flügeln, wilde Steinböcke, eine schwarze Trauergemeinde mit Tannengesteck auf dem Kopf. Und nun, knapp eine Woche später, ist dieses Stück ein eigenes Thema geworden in der Schweiz: im Bundesrat.

Die Vertreter der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) waren unglücklich mit der Inszenierung - eine unverhältnismäßige Verschwendung von Steuergeldern sei das, schimpften die Politiker noch auf der Rückfahrt nach Bern. "Wo bleiben die schweizerischen Grundwerte bei der Einweihung des Gotthard-Basistunnels?", fragte eine Abgeordnete der SVP nun am Montag. Die Politikerin wollte aber nicht auf Werte wie Bescheidenheit und Mäßigung hinaus. Statt nach den Kosten des Stücks fragte sie nach einigen Bühnen-Schauspielern, die sie als "tanzende Derwische" erkannt zu haben glaubte. Diese, das hatte die SVP-Politikerin in der Enzyklopädie des Islams nachgelesen, stünden "für eine Form der Annäherung zu Allah". Das würde die Grundwerte der Schweiz unterwandern, ja "verraten".

Die Antwort des Bundesrates fiel knapp aus. Bei dem Stück seien "ausschließlich Figuren und Sagen, die der Alpenkultur entstammen", behandelt worden. Es handle sich nicht um Derwische, sondern um "tanzende Heuhaufen".

Tatsächlich ging es unter anderem um eine Sage aus dem Urnerland, wonach der Teufel auf der Jagd nach einer menschlichen Seele mit einem Ziegenbock überlistet worden war. Der Sozialdemokrat Cédric Wermuth verbreitete die Antwort des Bundesrates via Twitter: als "beste Antwort des Bundesrates ever!". Natürlich gibt es auch schon einen Hashtag dazu: #Derwischgate.

Für die Beobachter aus dem Ausland, die das Stück mit ungläubigem Erstaunen gesehen hatten - "irgendwann rollten viele Menschen in weißer Unterwäsche umher", wunderte sich etwa die britische BBC - dürfte diese Episode die rätselhaften Schweizer Feierlichkeiten abrunden.

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